nd-aktuell.de / 31.08.2010 / Kultur / Seite 16

Manager der Literatur

Über J. Kürschner

Kai Agthe
Manager der Literatur

Den »Kürschner« kennt jeder, der sich mit Literatur beschäftigt. Es ist ein heute von den Verlagen de Gruyter (Berlin) und Saur (München) getragenes Kompendium, das, um größte Vollständigkeit bemüht, alle Autoren Deutschlands vorstellt, die mindestens ein Buch publiziert haben. Unterschieden wird in »Kürschners Deutscher Literatur-Kalender«»Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender«. Joseph Kürschner hat den »Literatur-Kalender« erst im fünften Jahr (1883) übernommen, dennoch ist sein Name heute untrennbar mit diesem verbunden. Daneben zeichnete er als Herausgeber für allgemeine Lexika und spezielle Handbücher sowie illustrierte Prachtbände verantwortlich.

Als Autor, Literaturvermittler und Herausgeber war Kürschner Autodidakt, der über ein gutes Gespür für tendenziell erfolgreiche Zeitschriften- und Kompendien-Projekte verfügte. Die realisierte er in verschiedenen Verlagshäusern in Leipzig, Berlin und Stuttgart. So präsent er mit den von ihm angeregten Publikationen auf dem Buch- und Zeitschriftenmarkt war, so öffentlichkeitsscheu blieb

Joseph Kürschner war auch ein glühender Wagnerianer. Allein 226 Wagner-Bände zählte seine nachgelassene Bibliothek. Mit Leidenschaft setzt er sich dafür ein, die Wagner-Kollektion des Wieners Sammlers Nicolaus Oesterlein für Eisenach zu sichern. In die Stadt zog Kürschner 1892, weil er, der 1853 in Gotha geboren worden war, Sehnsucht nach der thüringischen Heimat hatte. Ihren Platz fand die 20 000 Objekte umfassende Sammlung in der einstigen Villa Fritz Reuters (1810-1874) in Eisenach. Das Gebäude wurde 1897 als Reuter- und eben auch Wagner-Museum eröffnet, das Kürschner, der in der Villa Hohenhainstein lebte, bis zu seinem frühen Tod 1902 leitete.

Gudrun Osmann, langjährige Leiterin des Reuter-Wagner-Museums, zeichnet, unter Verwendung vieler ausführlicher Zitate Kürschners, ein lebendiges Bild eines universal tätigen Menschen, der kein bedeutender Autor, wohl aber ein kaufmännisch veranlagter, ideenreicher Literaturmanager war.

Gudrun Osmann: Joseph Kürschner – »Wer an sich verzagt, der ist verloren«. Zeugnisse aus dem Leben eines literarischen Enzyklopädikers und Eisenacher Kulturförderers. Palmbaum-Texte - Kulturgeschichte. quartus-Verlag. 121 S., brosch., 12,90 €.