nd-aktuell.de / 04.09.2010 / Kultur / Seite 11

Provokateur

Thilo Sarrazin wird heute eine elektronische Fußfessel angelegt, seine Schreibmaschine wird sichergestellt und ihm eine Spenderniere entnommen, des Weiteren soll er aus der Partei ausgeschlossen werden. Eine Anzeige wegen Behinderung der Politik gilt als sicher. Das Parteiverfahren als Mittel zur Maßregelung hat leider aufgrund der derzeitigen Machtverhältnisse den Schrecken verloren, den es zu seinen besten Zeiten hatte. Er war in die SPD wegen Willy Brandt eingetreten, man könnte deshalb seine Mitgliedschaft wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage annullieren.

Schwieriger gestaltet sich die Frage, wie man in Diskussionen inhaltlich Stellung bezieht. Dies ist nicht so einfach, wie der Stand der Kommentare in den Medien vermuten lässt. Die Ablehnung ist aus einsehbaren Gründen einhellig, doch die Begründungen waren zuweilen widersprechend.

Nun kann man auch nicht zu erkennen geben, dass man das Buch gelesen hat, vielleicht auch noch gekauft, dennoch muss man eine klare Position kundtun, ohne wiederum Reklame zu machen. Die Kanzlerin hat das Buch verdammt, was zu einer Steigerung der Verkaufszahlen führen dürfte. Man kann bei Angela Merkel in Betracht ziehen, dass sie genau das bezweckt hat.

Scharf zu kritisieren ist, dass Sarrazin gewusst haben muss, wie sein Buch aufgenommen wird, und dies in Kauf genommen hat. Feuilletonferne Schichten könnten sich bestätigt fühlen, obwohl sie den Inhalt des Buches nur vom Hörensagen kennen. Detaillierte differenzierte Darstellungen im Buch sind deshalb bestenfalls ein Trick, um sich dahinter verstecken zu können. Er muss wissen, dass zusammengesetzte Aussagen von Politikern und Journalisten nicht verstanden werden.

Text und Vignette: Bernd Zeller