nd-aktuell.de / 08.09.2010 / Politik / Seite 15

Wer kürzt, wird belagert

Bundestagsblockade will Proteste gegen das Sparpaket anheizen

Zu einer Herbstkampagne gegen das Sparpaket der Bundesregierung ruft das Berliner Bündnis »Wir zahlen nicht für Eure Krise« auf, in dem sich soziale Initiativen, Erwerbslosengruppen und Gewerkschafter zusammengeschlossen haben. Es hat seit 2009 mehrere Protestaktionen organisiert, zuletzt eine Großdemonstration am 12. Juni. Jetzt steht die Protestagenda für die nächsten Wochen fest.

Am 29. September sollen im Rahmen des europäischen Aktionstages gegen unsoziale Politik auch in Berlin mehrere Banken belagert werden. »Wir gehen zu den Profiteuren der Krisenpolitik, protestieren vor und in Banken gegen die Sozialisierung ihrer Verluste und fordern eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums«, erklärt der emeritierte Berliner Politologe Peter Grottian die Aktion. Der Aktionstag soll mit einer Demonstration enden, die unter dem Motto »Sparpakete stoppen, hier und europaweit!« steht.

Der Höhepunkt der herbstlichen Protestagenda ist Ende November: Am Tag der Verabschiedung des Sparpakets ruft das Antikrisenbündnis zur »Belagerung« des Bundestags auf. Die letzte, entscheidende Lesung des Sparpakets wird nach den aktuellen Planungen am 26. November stattfinden. »Der Aktionsvorschlag wurde vom Berliner Bündnis ohne Gegenstimmen verabschiedet«, so Michael Prütz gegenüber ND über die geplante Blockade. »Erst gehen wir zu den Banken, dann zur Politik«, beschreibt er die Choreographie der nächsten Wochen.

»Wir rufen zu einer legitimen Form des zivilen Ungehorsams und zu keinen kriminellen Handlungen auf und erwarten daher auch keine Kriminalisierung«, betont die zweite Bündnissprecherin Christina Kaindl in Richtung Polizei. Sie kritisiert die Bannmeilenbestimmung, die politische Manifestationen im Regierungsviertel enorm erschwert. »Der Bundestag und seine Umgebung dürfen kein demokratie- und politikfreier Raum sein. Auch hier können sich die Betroffenen zu Wort melden«, so Kaindl. Die Details für den konkreten Ablauf der Blockaden werden in der Vorbereitungsgruppe noch beraten, erklärt Prütz. In der Vergangenheit wurden bei Protesten im Regierungsviertel Kundgebungen häufig am Rande der Bannmeile angemeldet.

Die bisher größte Bundestagsblockade fand vor mehr als 15 Jahren statt – damals noch in Bonn. Die Aktion am 26. Mai 1993 richtete sich gegen die Verschärfung der Asylgesetzgebung. In Berlin ist eine Bundestagsblockade dagegen politisches Neuland. Vorbild dafür sind die Protestaktionen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007. Seitdem wurden mit Blockadeaktionen mehrere Naziaufmärsche erfolgreich verhindert, beispielsweise im Februar 2010 in Dresden. Sollte die Mobilisierung in Berlin ähnlich erfolgreich sein, dürfte diese Aktionsform künftig noch häufiger bei sozialen Protesten zur Anwendung kommen.

Peter Nowak