Lehrt Ed die Tories das Fürchten?

Labour Party unter neuer Führung

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
»Bruderkampf zwischen Kain und Abel«, »Der rote Ed als Gewerkschaftssklave«, »Gute Nachricht für David Cameron«. Wenn dem Rauschen im konservativen Blätterwald zu trauen wäre, hätten Labour-Abgeordnete, -Mitglieder und -Gewerkschafter durch die knappe Wahl des 40-jährigen Edward Miliband zum Parteichef politischen Selbstmord begangen.

Halblang! Ed Miliband ist im Lande relativ unbekannt. Als Energieminister unter Premier Gordon Brown betrat er die große politische Bühne nicht so oft wie sein älterer Bruder, Außenminister David Miliband, der als Liebling Tony Blairs und bis zum Wochenende als Favorit im Führungskampf bei Labour galt. Ein freundliches Lächeln war gefordert, als der Jüngere in den Ring stieg; aber auch der rücksichtslose Bruch mit »New Labour« als Konzept der 90er Jahre: Sozialpolitisch verbrämter Neoliberalismus und rein zahlenmäßige Ziele für Schulen und Krankenhäuser sind nicht mehr gefragt.

Ed Miliband hat erkannt, dass Labour unter Tony Blair vier Millionen Stimmen und unter Gordon Brown eine weitere Million verlor. Das macht aus ihm keinen »Roten«: Sein verstorbener Vater, der marxistische Soziologe Ralph Miliband, wäre beim Gedanken daran köstlich amüsiert gewesen, seine Mutter Marion gab ihre Erststimme der linken Gegenkandidatin Diane Abbott. Aber Ed wusste instinktiv, wie er seine einzige Siegchance nutzen konnte. Er gewann vor allem dank der Unterstützung der zahlenden Labour-Mitglieder in den Gewerkschaften. Der Aufschrei der Entrüstung rechts verrät Respekt und Angst vor einem, der ihre Kreise stören könnte.

Der neue Labour-Führer steht trotzdem vor großen Herausforderungen. Dazu gehört, wie er den durch die Niederlage zutiefst getroffenen älteren Bruder in sein Schattenkabinett einbezieht. Auf ein solches Talent kann die Partei nicht verzichten. Ed muss zudem aus dem Hintergrund treten und selber führen, muss sich vom Makel der Gewerkschaftshörigkeit befreien und die konservativ-liberale Koalitionsregierung bei ihrem Streichkonzert effektiv aber differenziert bekämpfen. Ein Fernsehinterview mit der BBC bot ihm am Sonntag dazu Gelegenheit. Das Staatsdefizit müsse reduziert werden, aber nicht so schnell und so tief, dass das Land dadurch in eine zweite Rezession gestürzt wird, sagte Miliband. Der Gedanke, dass Arme und Arbeitslose für die Fehler der Bankiers aufkommen sollen, ist dem neuen Oppositionsführer ein Gräuel. Der Sozialstaat darf verschlankt, aber nicht ausgehöhlt oder zerstört werden. Kurzum: Streichungen ja, aber weniger schnell und brutal als von der Regierung beabsichtigt. Neue Miliband-Ideen wie ein »living wage«, wesentlich höher als der Mindestlohn, müssen Konturen bekommen, wenn er beweisen will, dass er sein eigener Herr ist.

Andererseits ist die Aufgabe lösbar. Auch ohne Parteichef lag Labour in den Umfragen mit der Koalition bereits gleichauf: Normalerweise bekommt jede Opposition Auftrieb, die mit einem unverbrauchten Gesicht aufwarten kann. Zudem dürfte die Zahl der mit der rechten Regierung Unzufriedenen noch steigen, sobald die angekündigten sozialpolitischen Grausamkeiten Lebenswirklichkeit werden. In seinen besten Tagen vor dem Irak-Krieg gab Tony Blair Armen und Arbeitslosen neue Hoffnung und gewann gleichzeitig Mittelstandswähler. Jetzt muss seinem Nach-Nachfolger ein ähnliches Kunststück gelingen. Nicht nur beim Parteivolk, sondern im Parlament, in den Arbeitersiedlungen und bei den Pendlern. Dann könnte Miliband die Tories auf Dauer das Fürchten lehren.

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