DEFA-Filme nur noch selten gezeigt

Gedanken zu einer kleinen Analyse des rbb-Fernsehprogramms

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn zu DDR-Zeiten ein Spielfilm nur einmal im Fernsehprogramm lief und danach nicht wieder, dann gilt das heute als Ausdruck von Verbot und Unfreiheit. Wenn heute hunderte DEFA-Filme überhaupt nicht mehr gezeigt werden, dann ist das Ausdruck von Freiheit und grenzenloser Vielfalt.

So weit, so gelernt. Und doch gibt es keinen Grund, das Angebot des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) nicht einmal unter diesem Aspekt einer Prüfung zu unterziehen. Dies vorweg: Der sich in den ersten Monaten dieses Jahres abzeichnende Tatbestand des unmittelbaren Boykotts der DEFA kann als Vorwurf nicht erhoben werden. Der Sender ist mit ein paar Angeboten in den vergangenen Wochen gerade noch so daran vorbeigeschrammt. Das hat eine oberflächliche Auszählung zweifellos ergeben.

Es kam also in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres zur Ausstrahlung von ganzen fünf DEFA-Filmen, die keine unmittelbaren Märchenverfilmungen waren. Eigentlich waren es nur vier, weil »Berlin – Ecke Schönhauser« in diesem halben Jahr gleich zweimal lief. Im Juni zum 70. Geburtstag von Gojko Mitic war ein Indianerfilm (»Severino«) zu sehen, und der Kultstreifen »Der Mann, der nach der Oma kam« geriet im Mai ins Programm. Ebenfalls der Mai bot »Die Heiden von Kummerow«, im Januar kam »Rotkäppchen« – beides sind Beispiele für die seltenen deutsch-deutschen Koproduktionen. Von, wie gesagt, ein paar Märchen abgesehen, hat sich das DEFA-Angebot darin erschöpft.

Wenn DEFA-Filme laufen, dann aber auch immer wieder die selben. »Die Abenteuer des Werner Holt«, »Heißer Sommer«, »Spur der Steine«, ja, wir haben es nun gesehen. Natürlich ist die rbb-Senderleitung uns keine Rechenschaft über ihre Programmgestaltung schuldig. Nein, aber wir sind ihr Gebühren schuldig, so sinnig ist das eingeteilt. Und dabei bleibt es, auch wenn auf unsere Kosten der Thriller »Gorky-Park« zum tausendsten Mal läuft.

Vielleicht will der rbb im zwanzigsten Jahr der Wiedervereinigung die DDR nicht ausgerechnet als ein Land präsentieren, in dem interessante, anspruchsvolle, ideenreiche und wertvolle Filme gedreht wurden – und das auch noch mit Billigung und tatkräftiger Unterstützung der SED? Das würde nicht in das Geschichtsbild passen, das Medien und Politik uns heute aufdrängen möchten.

Viele DEFA-Streifen bleiben in der Kiste, die einmalig schönen, poetischen Filmbiografien von Goya über Büchner (»Addio, piccolo mia«), Beethoven (»Tage aus einem Leben«) bis Hölderlin (»Hälfte des Lebens«). Oder die Streiflichter, die sich auf interessante historische Momente beziehen: »Die Lützower«, »Kopernikus«, »Husaren in Berlin«, »Wolz«. Desgleichen bleiben die wunderbaren Literaturverfilmungen »Schüsse unterm Galgen«, »Die Elenden«, »Der Aufenthalt«, »Aus dem Leben eines Taugenichts« ungesendet.

Werfen wir abschließend ein Blick auf die Märchen. Was sie betrifft, steht es nach dem ersten Halbjahr im rbb 21 zu 4, das heißt in 21 Fällen handelte es sich um eine Produktion der alten BRD beziehungsweise des wiedervereinigten Deutschlands, in vier Fällen um eine DEFA-Produktion. Jetzt muss man ja nicht unbedingt zu denen gehören, die DDR-Märchenfilme von vorn herein für besser, liebevoller, ideenreicher, augenzwinkernder halten als die der anderen Seite, deren Verfilmung deutscher Märchen angeblich mitunter den Eindruck erwecken, als habe es sich um eine Art Strafarbeit gehandelt, derer man sich möglichst schnell entledigt hat. Eine solche Pauschalierung wäre in der Tat ungerecht und könnte das Klima nur weiter vergiften. Doch schade ist es schon.

In der Pressestelle des rbb wurde die Tatsache einer bewussten DEFA-Abstinenz natürlich nicht bestätigt. Warum die Märchen bei dieser Frage ausblenden, wurde gefragt. Und immerhin: Am 23. Oktober sei ein Abend mit DEFA-Indianerfilmen vorgesehen.

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