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Bundeskabinett verschärft Haudrauf-Politik

»Einfacher Widerstand« gegen Vollzugsbeamte soll demnächst bis zu drei Jahren Haft einbringen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte soll künftig härter bestraft werden können. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht.

Die Absicht ist, den Strafrahmen für einfachen Widerstand gegen Beamte von derzeit zwei auf drei Jahre Haft anzuheben. Aus Unionsreihen war ein Strafmaß bis zu fünf Jahren gefordert worden. Dies lehnte die FDP ab, verwies auf bestehende Paragrafen zur Ahndung von Körperverletzung, fügte sich aber brav in den Kompromiss, der nun mit schwarz-gelber Mehrheit Gesetzeskraft erhalten soll.

Widerstand liegt danach beispielsweise schon dann vor, wenn ein Demonstrant sich bei einer Festnahme aus dem Griff eines Polizisten loswindet, ohne den Beamten zu verletzen. Zudem soll der Paragraf 113, Absatz 2, im Strafgesetzbuch, der sich auf besonders schweren Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bezieht, so ergänzt werden, dass sich bei Angriffen nicht nur das Mitführen einer Waffe, sondern auch von gefährlichen Gegenständen strafverschärfend auswirkt. Gefährliche Gegenstände sind Auslegungssache.

Auslegungssache ist auch, ob und gegebenenfalls wie die Gewalt gegen Vollzugsbeamte – zu denen auch Mitarbeiter des Zolls, der Justiz, der Feuerwehr oder Gerichtsvollzieher zählen – zugenommen hat. Es gibt keine Vergleichsdaten, die eine Tendenz anzeigen. Das Bundesinnenministerium selbst hat Analysen verhindert, indem es – wie einige Bundesländer auch – sich 2009 weigerte, dem Kriminologischen Institut Niedersachsen Daten für eine entsprechende Studie zur Verfügung zu stellen.

Die war von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Auftrag gegeben worden. In dem so nicht repräsentativen Papier steht, dass 81,9 Prozent der befragten Polizisten innerhalb eines Jahres beleidigt oder verbal bedroht worden sind. 47,8 Prozent wurden festgehalten oder gestoßen, 26,5 Prozent geschlagen oder getreten, 24,9 Prozent mit Gegenständen beworfen. 1,9 Prozent mit einer Schusswaffe bedroht. Rund 70 Prozent dieser Attacken ereigneten sich nicht bei Demonstrationen, sondern im regulären Streifendienst.

In der polizeilichen Kriminalstatistik werden erst seit 2009 Widerstandshandlungen gegen Polizisten und seit 2010 auch Widerstandshandlungen gegen Vollzugsbeamte erfasst. Es gibt auch keine verlässlichen Daten über Beschwerden und Anzeigen von Bürgern wegen Polizeiübergriffen. Bei aller Notwendigkeit, polizeiliches Handeln zu kontrollieren und Einsätze kritisch zu hinterfragen, so betonte GdP-Chef Konrad Freiberg unlängst, habe die Polizei ein Recht auf Rückhalt und Solidarität in Politik und Bevölkerung. Doch »besonders die Politik lässt uns ständig im Regen stehen, insbesondere bei Konflikten, die sie selbst verursacht hat«, sagte Freiberg, der den Kabinettsbeschluss gestern als »notwendiges gesellschaftliches Signal« betrachtet.

Die Juristin und Vizechefin der Linkspartei Halina Wawzyniak dagegen sieht in dem Beschluss eine erneute Attacke gegen das Recht auf zivilgesellschaftlichen Widerstand, wie er sich gerade in Stuttgart zeigt. Die Innenexpertin der Bundestags-Linksfraktion Ulla Jelpke meint, dass die Regierung »zu Unrecht« den Eindruck erwecke, jede Widerstandshandlung etwa gegen Nazi-Aufmärsche oder Castor-Transporte sei bereits eine Gewalttat«. Die Grünen-Politiker Jerzy Montag und Wolfgang Wieland kritisierten die Gesetzesänderungen als »reine Symbolpolitik«.

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