Stille Nacht in der Oper

Orchester an Berliner Musiktheatern streiken / Ultimatum der Arbeitgeber läuft heute ab

  • Esteban Engel, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
An Berliner Opernhäusern fallen zur Zeit immer mehr Vorführungen aus. Die Musiker streiken für höhere Gehälter, ein Ende ist nicht abzusehen. Heute läuft ein Ultimatum der Arbeitgeber ab.
Drohende Leere: Orchestergraben der Komischen Oper
Drohende Leere: Orchestergraben der Komischen Oper

Eine Zeit lang herrschte in den Berliner Opernhäusern weitgehend Frieden: Weder Fusionsdebatten noch Zwist ums Geld störten die künstlerische Ruhe. Aber mit dem Wohlklang ist es vorbei. Seit Wochen streiten die Orchester der Deutschen Oper und der Komischen Oper mit dem Land um einen Tarifvertrag. Musiker treten in den Streik, lassen mitten in der Aufführung ihre Instrumente verstummen und bleiben in der Kantine. Stattdessen gibt es zu »Traviata« oder »Schwanensee« Klavierbegleitung. Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht, im Publikum verbreitet sich schlechte Laune.

Bis zum heutigen Freitag null Uhr läuft das Ultimatum der Arbeitgeber. Sollte es bis dahin keine Signale für weitere Verhandlungen geben, droht sich die Lage weiter zuzuspitzen. Zur Weihnachtszeit, in der mit »Hänsel und Gretel« oder Beethovens Neunter die Kassen fröhlich klingeln, könnte es dann wirklich stille Nächte geben. Die Deutsche Oper dementierte Berichte aus dem eigenen Haus, wonach ausländische Orchester als Streikbrecher eingeflogen werden sollen.

Aus der Ferne mag der Tarifstreit wie eine Luxus-Auseinandersetzung anmuten. Der Senat und die Berliner Opernstiftung, unter deren Dach Deutsche Oper, Komische Oper und Staatsoper Unter den Linden vereint sind, haben eine Erhöhung von sieben Prozent angeboten, im Schnitt etwa 140 Euro im Monat.

Für die Musikergewerkschaft DOV ist das Tarifplus zwar zu knapp, doch sie verschließt sich nicht grundsätzlich dem Angebot. Der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) gehe es nicht um Lohnprozente. Die Orchester wollten aber nicht weiter vom bundesweiten Musikertarif abgekoppelt bleiben, wie DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens sagt. Schon jetzt verdient ein Geiger an Komischer oder Deutscher Oper im Schnitt 12 Prozent weniger als ein Kollege etwa in Köln oder Hamburg.

Doch mit diesem Minus müssen alle Bediensteten des Landes leben. Seitdem sich Berlin aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgeklinkt hat, bekommt der öffentliche Dienst im überschuldeten Stadtstaat weniger als die Kollegen in anderen Ländern.

Der Streit birgt Sprengstoff innerhalb der Opernstiftung und könnte den Knatsch im Graben noch verschärfen. Denn an den Protesten beteiligen sich nicht die Musiker der Staatskapelle Berlin. Für das Orchester der Staatsoper hat Generalmusikdirektor Daniel Barenboim bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Million Euro im Jahr extra ertrotzt. Die Einkommensschere, das befürchten die Musiker in Komischer und Deutscher Oper, könnte sich auf 40 Prozent erweitern. Bei der Anwerbung neuer Musiker wären sie dann unattraktiv.

Nach unbestätigten Zahlen bekommt ein Musiker der Deutschen Oper zwischen 4200 und 4900 Euro, die Komische Oper zahlt 4400 Euro, die Staatsoper rund 6000 Euro. Mit dem Plus für die Staatskapelle soll – mindestens von der Bezahlung her – das Traditionsorchester an die Berliner Philharmoniker angeglichen werden. Die spielen bei den Einkünften allerdings in einer anderen Liga.

www.staatsoper-berlin.org www.komische-oper-berlin.de www.deutscheoperberlin.de

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