Sex und Pop – wildes Jubiläum

»Peaches does herself« im Berliner HAU

  • Katja Eichholz
  • Lesedauer: 3 Min.
Wilde Show und manchmal fast Porno: Peaches im HAU
Wilde Show und manchmal fast Porno: Peaches im HAU

»Fuck the Pain Away« heißt zu deutsch ungefähr so viel wie Sex gegen den Schmerz. Diese unverblümte Aufforderung ist ein Song der Electroclash-Künstlerin Peaches und findet sich auf dem Album »The Teaches of Peaches«, das den Anfang der nunmehr zehnjährigen Karriere der in Berlin lebenden Kanadierin markiert.

Zehn Jahre sind Anlass für eine Rückschau. Konsequenterweise hat Peaches den Hybrid aus Oper und Musical namens »Peaches does herself« gleich selbst geschrieben und produziert, der in der vergangenen Woche im Berliner HAU aufgeführt wurde. 22 Songs, ein Querschnitt durch die letzten vier Alben, eingebettet in eine Rahmenhandlung – Hauptperson ist Peaches herself.

Den Beginn macht ein freundlicher älterer Herr: ein akademisch anmutender Vortrag über die Geschlechtertheorien in Peaches Liedern. Geschlechterrollen, Sex und Macht, all diese Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Alben der Sängerin. Doch die Wissenschaft ist Peaches Sache nicht und so übernimmt die Frauenband Jolly Goods und legt eine krachende Version von »Rock Show« mitten in den akademischen Monolog. Weiter geht es zu den Anfängen ins Jahr 1999, wo sie in einem überdimensionalen Bett ihren ersten Hit komponiert (»Set It Off«) und feststellt, dass sie zu den Frauen gehört, die alles sein können.

Was dann auf der Bühne folgt, ließe sich platt mit dem Wort schrill zusammenfassen. Eine Truppe Tänzer tanzt oder viel mehr schläft sich durch ihre Hits und Peaches, weder Mann noch Frau, sondern ihrem Kostüm zufolge beides, verliebt sich in den Transvestiten Danni Daniels, der als nackte Ballerina auf die Bühnen gleitet. Er ist es dann auch, der Peaches sanfte Seite hervorbringt. So steht die exzellente Sängerin allein auf der Bühne und singt von ihrer Angst, ihre Liebe zu verlieren in »Loose you«.

Flankiert wird dies von der immer wieder auftauchenden alternden Striptease-Künstlerin Sandy Kane, die mit einem Dildo rumhantiert, ungelenk ihre Brüste kreisen lässt und Lieder über, man kann es sich schon denken, Sex singt. Wird Peaches im Alter auch noch so sein sein? Zu vermuten ist es, war die Sängerin beim Erscheinen von Teaches of Peaches schon über dreißig, was im Musikgeschäft ein vergleichsweise biblisches Alter ist. Mochte man zunächst annehmen, dass die allgegenwärtige Sexualität Peaches eine bei Musikern wohlbekannte Masche war, um Aufmerksamkeit zu erhalten, wurde im Verlauf ihrer Karriere klar, dass es sich bei ihr um eine persönliche Ausdrucksform handelt, die dem in der Musikszene vorherrschenden Sexismus etwas entgegen zu setzen vermag. Dies gibt ihr die Freiheit, sich über Normen hinwegzusetzen und sich nicht von außen gesteckten Ansprüchen an Schönheit oder Ausdruck zu halten.

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