nd-aktuell.de / 02.11.2010 / Politik / Seite 20

Erdrutsch in Schmalkalden

Riesiges Loch bedroht Wohnsiedlung, aber bislang keine Opfer

Annett Gehler, dpa

Der Schrecken kommt in der Nacht. Anwohner hören etwa gegen 3 Uhr ein Rasseln und ein lautes, strömendes Geräusch, als ob mehrere Schotterlaster ihre Ladung abkippen. »Wir wurden zu einem Loch in der Straße mit Wasserrohrbruch gerufen. Mit solch einem Ausmaß hat aber keiner gerechnet«, sagt Marco Gröger von der Freiwilligen Feuerwehr. Er blickt auf ein riesiges Erdloch, das sich am Montagmorgen in einer Wohnsiedlung im thüringischen Schmalkalden aufgetan hat.

30 mal 40 Meter misst es und ist etwa 20 Meter tief. Ein Auto verschluckte es sofort. Und das Loch wächst: Stetig bricht der Krater an den Rändern nach, durchziehen neue Risse Straße und Hauswände. »Wir wissen nicht, wann ein Ende abzusehen ist«, so Gröger. »So etwas hat hier keiner erwartet«, sagt Roland Stark, dessen Garage direkt an dem Erdloch steht. Er ringt auch Stunden nach dem Unglück um Fassung. Seit 20 Jahren wohnt er in der Hangsiedlung. Die Straße sei frisch geteert worden, sagt Stark. Noch wissen er und seine Frau nicht, wann sie wieder in ihr Heim zurückkehren können. »Wir haben gedacht, wir sind auf dem Hang sicher.«

Einige der mehr als 25 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, kamen bei Bekannten unter. Manche standen unter Schock und wurden von Seelsorgern betreut. Sechs Häuser wurden evakuiert. Eine Frau wischt sich Tränen aus dem Gesicht. Ein Beamter erklärt ihr behutsam, dass sie nicht nach Hause zurückkehren kann. Zu groß ist die Gefahr. »Den Leuten sitzt der Schreck in den Gliedern, aber sie sind erstaunlich gefasst«, sagt der parteilose Bürgermeister Thomas Kaminski.

Die Stadt will für Betroffene Ferienwohnungen anmieten. Noch kann sich in Schmalkalden keiner das Unglück erklären. »Wir sind kein Bergbaugebiet«, sagt Kaminski. Berichte über unterirdische Luftschutzbunker machen die Runde. Eine Frau bringt ein altes Foto und erzählt von einem Bombentrichter im Zweiten Weltkrieg.

Da sind 12 000 Kubikmeter Erde verschwunden, beim Einsturz solcher Massen ist eine natürliche Ursache wahrscheinlicher«, meint der CDU-Landrat, Ralf Luther. Er ist bei allem Schrecken erst einmal erleichtert darüber, dass es keine Verletzten oder gar Tote gab: »Da war viel Glück im Unglück dabei.«