Hiroshimas Vermächtnis

Friedensnobelpreisträger fordern atomare Abrüstung

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.
In der leidgeprüften Stadt Hiroshima treffen sich 65 Jahre nach dem verheerenden US-amerikanischen Atombombenangriff ab heute Friedensnobelpreisträger aus aller Welt. Unter der Losung »Das Vermächtnis von Hiroshima – eine Welt ohne Atomwaffen« fordern sie energische Schritte zur nuklearen Abrüstung.

Das jährliche Gedenken an die Opfer der Atombombenabwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945 ist inzwischen zu einer weltweiten Tradition geworden. In diesem Jahr aber ist die Aufmerksamkeit besonders groß, und nachdrücklich wird gefragt, welche Lehren aus dieser Tragödie für heute und die Zukunft gezogen werden müssen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen offenbaren neuere Forschungen, dass die tatsächlichen Opferzahlen weitaus höher liegen als bisher angenommen.

Dabei geht es nicht nur um die über 200 000 unmittelbar durch die Atomexplosionen Getöteten. Bisher starben durch die Langzeitwirkungen der radioaktiven Strahlungen schätzungsweise noch einmal doppelt so viele Menschen an Krebs, Leukämie sowie genetischen Schäden und erleiden Fehl- oder Totgeburten. Und das Sterben geht weiter – jedes Jahr verlieren in Japan mehr als 3000 Menschen ihr Leben durch die Folgen der atomaren Verstrahlung. Nach Angaben der Organisation Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg wurde die Gefahr radioaktiver Strahlung durch fehlerhafte Daten über viele Jahre drastisch unterschätzt.

Besorgnis erregen ebenfalls Fallstudien, die nachweisen, dass bereits ein begrenzter regionaler Atomwaffeneinsatz neben den unmittelbaren Opfern auch weltweit verheerende Umweltkonsequenzen haben würde. Wenn etwa zwischen Indien und Pakistan oder im Nahen Osten Atomwaffenschläge erfolgten, entständen ein riesiges Ozonloch und weltweite Verwüstungen für mindestens ein Jahrzehnt. Außer den unmittelbaren Toten wären weitere Millionen Menschen unter anderem von Hautkrebs und Augenkrankheiten betroffen. Beim Einsatz von 100 Nuklearsprengköpfen mit der Zerstörungskraft der Hiroshimabombe würde die mittlere Temperatur auf der Erde um 1,25 Grad sinken. Das hätte globale Ernteverluste und Lebensmittelmangel mit bis zu einer Milliarde Hungeropfern zur Folge.

Experten der University of Georgia untersuchten die möglichen Auswirkungen von Nuklearschlägen gegen die Städte New York, Chicago, Washington und Atlanta. Im Ergebnis ihrer Simulationsexperimente stellten sie fest, dass das gegenwärtige Gesundheitssystem der USA völlig überfordert wäre, die Opfer eines Kernwaffenangriffs zu versorgen. Selbst einem terroristischen Anschlag mit einzelnen primitiven Atomsprengsätzen wäre die Regierung nicht gewachsen. Das offenbarte laut »Washington Post« eine geheime Übung, bei der gleichzeitige Nuklearexplosionen in Indianapolis und Los Angeles simuliert wurden.

Die Idee einer atomwaffenfreien Welt, die lange Zeit lediglich von wenigen Abrüstungsaktivisten propagiert wurde, hat inzwischen auch die Regierungen erreicht. Spätestens nachdem USA-Präsident Barack Obama diese Vision in seiner Prager Rede im April 2009 öffentlich verkündet und der UNO-Sicherheitsrat sich ihr einmütig angeschlossen hat, ist die nukleare Abrüstung zur aktuellen politischen Aufgabe geworden. Auf der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Mai bekannten sich die Teilnehmerstaaten grundsätzlich zur Abschaffung der Atomwaffen. Auch die NATO wird auf ihrem bevorstehenden Gipfeltreffen in Lissabon den Platz der nuklearen Abrüstung in ihrem neuen Sicherheitskonzept bestimmen. Allerdings ließ sie schon mal verlauten, atomare Abschreckung sei auf absehbare Zeit unverzichtbar.

Das Projekt trifft also auf starken Widerstand, und so ist politischer Druck unverzichtbar. Darum bereitet sich die Zivilgesellschaft weltweit engagiert auf die Auseinandersetzung vor und hat sich in einem globalen Netzwerk von Organisationen zusammengeschlossen. Die Abrüstungsaktivisten halten den Abschluss einer Nuklearwaffenkonvention, die die Atomwaffenstaaten verpflichtet, ihre Arsenale abzurüsten, und den Erwerb von Kernwaffen für alle Staaten verbietet, für den effektivsten und praktikabelsten Weg, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.

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