Die grüngelbe Gefahr

Die Förderung von Biogasanlagen hat ein neues Problem geschaffen: Es drohen Mais-Monokulturen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 5 Min.
Ob Brandenburg, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern: In den Agrarländern explodiert der Maisanbau für Biogasanlagen. Der Protest dagegen wächst, die Politik beginnt zu handeln.
Die grüngelbe Gefahr

Gadow, Anfang November 2010: In der »Köhlerhütte« am Forstamt gibt es Kekse und Kaffe. Nass und kalt ist es gewesen auf der Exkursion in das Biosphärenreservat Elbe-Brandenburg, die kleine Reisegruppe aus Bundes- und Landespolitikern, Vertretern der »Biosphäre« und Forstamtsleuten wärmt sich auf. Das Biosphärenreservat ist auf der Suche nach Gebieten, die man als »Kernzone« ohne wirtschaftliche Nutzung ausweisen könnte, das Wie und Wo ist nicht ganz unumstritten zwischen der Biosphären-Leiterin Jeanette Fischer und dem Lenzener Revierförster Uwe Roese. Problematisch ist zum Beispiel die Sache mit der Jagd: Was tun, wenn sich in der Tabuzone das Wild sammelt und an Feldern in der Umgebung Schäden entstehen?

Bei dieser Frage gibt es Diskussionsbedarf – doch in einer anderen sind sich die beiden Landschaftspfleger einig: dass zu viel Mais angebaut werde in der Gegend. »Mehr geht einfach nicht«, sagt Fischer und zeigt eine Landkarte des brandenburgischen Kreises Prignitz. Gelbe Flächen bezeichnen Maisfelder – und die Karte ist schon kräftig gelb gesprenkelt. Fischer sagt, dass das so nicht weitergehen könne und die Prignitz allmählich zu einem einzigen Maisfeld zu verkommen drohe. Wo sich die Ökologin um die Artenvielfalt sorgt und um den forcierten Umbruch von Grünland, haben die Forstleute ein anderes Problem: Mais ist die Leibspeise der Wildschweine – wo immer große Maisfelder zu finden sind, massiert sich auch das Schwarzwild.

Für ganz so dringlich, wie Fischer es darstellt, hält man das Mais-Problem bei der Kreisverwaltung Prignitz noch nicht. Die Mais-Anbaufläche, heißt es dort zwar, sei seit 1999 von 11 500 auf 24 000 Hektar gestiegen – doch Kreisbauernchef Ulrich Kieback kann noch keine Tendenz zur Monokultur erkennen: Noch habe man beim Mais nicht die Anbaufläche von 1990 erreicht, wiegelt er ab. Wo Umweltverbände schon vor der »Vermaisung« warnen, nannte Kieback einen Mais-Anteil an der Ackerbaufläche von bis zu 25 Prozent kürzlich gegenüber einer Lokalzeitung »normal«. Laut Potsdamer Regierung ist auch nicht die Prignitz, sondern Teltow-Fläming die brandenburgische Biogas-Hochburg. Seit 2000 sind dort 22 neue Anlagen eröffnet worden, begleitet von einer Ausbreitung des Maises. Allein zwischen 2004 und 2007 steig die Anbaufläche für Energiemais von 54 auf fast 21 000 Hektar – neuere Zahlen gibt es noch nicht.

Operation Zuckerrübe

Wie dramatisch man die Lage auch immer einschätzt, der Grund für den Trend ist klar: »Biogas«, sagt Kirsten Tackmann, die Agrarexpertin der Bundestags-Linksfraktion. 90 Prozent Mais, 10 Prozent Roggen, das sei die optimale Mischung für die Energieproduktion. Jahrelang wurden die Anlagen massiv gefördert, nun sehe man eine »massive Fehlsteuerung«. Landwirt Dieter Krull, der mit der Biosphäre zusammenarbeitet, will das gar nicht bestreiten. Er betont aber, dass die Verantwortung bei der Politik liege, die entsprechende Anreize gesetzt habe: »Wir sind ja auch nicht blöde.«

Auch Fritz Tack kennt das Dilemma. Der Agrarwissenschaftler und Schweriner LINKE-Landtagsabgeordnete findet den Mais-Anteil an der Gesamtackerfläche im Nordosten »mit insgesamt rund 11,5 Prozent noch nicht dramatisch«. Große Schwierigkeiten sehe er aber in der Umgebung von Biogasanlagen, wo Mais-Konzentrationen von 30 Prozent und mehr keine Seltenheit seien: »Manche Betriebe bauen bereits zu 50 Prozent Energiemais an«, so Tack, »dass sich da mindestens Probleme mit der Fruchtfolge auftun, kann man sich vorstellen.«

Besonders drastisch zeige sich das rund um Penkun und Güstrow mit ihren riesigen Biogasanlagen – wobei Güstrow aus Tacks Sicht das Problem auf den Punkt bringt: »Die Anlage ist gesteuert von Finanzinvestoren, das hat mit Landwirtschaft nichts zu tun.«

Nicht nur der LINKE-Mann hält das für ein Problem. Der Schweriner Landtag wird in der kommenden Woche über einen Antrag von SPD und CDU beraten, der eine »sachgerechte Bodennutzung« in Mecklenburg-Vorpommern sicherstellen will. Im Prinzip sind Regierung und Opposition an dem Punkt nicht weit auseinander. Industrielle Großanlagen sollen weniger gefördert werden, die Bioreaktoren sollen »betrieblich« geführt werden und »in die Gemeinde passen«, fasst Tack seine Vorstellungen zusammen. Noch wichtiger aber sei es, Alternativen zur gängigen Mais- und Roggenmischung zu finden: Zum Beispiel die Zuckerrübe – die wegen der dauerhaft schwierigen Lage auf dem Zuckermarkt eine alternative Nutzung auch gut gebrauchen könnte. Bei Lalendorf, nicht weit von der gigantischen Güstrower Anlage, die bei ihrer Eröffnung im vergangenen Jahr als weltweit größte ihrer Art galt und 160 Kilowattstunden Strom und 180 Kilowattstunden Wärme erzeugt, soll bald der Grundstein gelegt werden zu einer Anlage nach Tacks Geschmack: Dort soll aus der Rübe nicht nur Biosgas gewonnen werden, sondern durch ein neues Verfahren auch Biosprit.

Das Kind mit dem Bade

Die Allianz, die sich gegen die grüngelbe Gefahr am Stiel zu bilden beginnt, wird indessen immer breiter – so dass man genau hinsehen muss. Vorgeprescht in Sachen »Vermaisung« ist nun nämlich ein umstrittener Umweltpolitiker: Niedersachsens FDP-Minister Hans-Heinrich Sander. Der forderte dieser Tage, Hand an das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) zu legen und die Förderung des Biogases zu »kappen«. Der Minister will kurzfristig eine Bundesratsinitiative anstoßen: Die meisten Boni für Biogasanlagen seien abzuschaffen, die Grundvergütung für erzeugten Strom zu kürzen. »Man muss sehen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet«, kommentiert Fritz Tack diese Pläne. Die Atomkraft-Laufzeitverlängerung mit ihrem – vermeintlich – billigen Strom sei schon problematisch genug für die erneuerbare Energie. Doch stehe außer Frage, dass etwas geschehen muss – bevor die industriellen Bioenergie-Fabriken anfangen, in großem Stil selbst Land für Mais zu kaufen. Mit deren finanzieller Schlagkraft könnte die Landwirtschaft etwa bei den Versteigerungen früher volkseigenen Bodens durch die BVVG niemals mithalten.

Dass etwas geschehen muss, steht außer Frage: Mittlerweile fangen die Bürger an, sich einzumischen. Drei kleinere und in der Uckermark auch eine große Bürgerinitiative gegen die Mais-Explosion gibt es bereits in Brandenburg, berichtet Michael Luthardt, der Links-Agrarpolitiker im Potsdamer Landtag. Und es könnten schnell mehr werden – wie beispielsweise in Schleswig-Holstein. Auch dort hat sich der Maisanbau seit 2000 nahezu verdoppelt. »Beinahe in jedem Ort, in dem es eine Biogasanlage gibt oder bald geben soll«, schrieb kürzlich eine Landeszeitung, gebe es auch Proteste. Zumal im hohen Norden das Folgeproblem mit dem Schwarzwild eskaliert: Dem Land drohen die Jäger auszugehen – sie können haftbar gemacht werden für Wildschweinschäden auf ihrer Pacht.

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