Irland in Finanznot

Regierung dementiert Antrag auf externe Hilfe

  • Gabriel Rath, Dublin
  • Lesedauer: 4 Min.
Wird die irische Regierung in Brüssel Hilfsmittel beantragen? Trotz Dementis hält sich dieses Gerücht – mit variierenden Details – hartnäckig.

Gleich zwei Mal in weniger als 24 Stunden hat sich die irische Regierung am Wochenende genötigt gesehen, Medienberichte zu dementieren, wonach »vorbereitende Gespräche« über ein EU-Rettungspaket von 60 bis 80 Milliarden Euro bereits begonnen hätten. »Es ist nicht länger eine Frage ob, sondern wann die irische Regierung einen formellen Rettungsantrag an den Euro-Finanzstabilitätsfonds (EFSF) stellen wird«, berichtete die BBC. Zuvor hatte die Agentur Reuters zwei namentlich nicht genannte Quellen aus der Eurozone zitiert, wonach »erste technische Vorbereitungen im Gange« seien. Der irische Finanzminister Brian Lenihan dementierte umgehend: »Wir haben im Gegensatz zu anderslautender Spekulation keinen Antrag auf irgendetwas gestellt.« Die Regierung setzt nach eigenen Angaben ihre Arbeit am Haushalt 2011 sowie an einem Vier-Jahres-Plan fort, die beide am 7. Dezember vorgestellt werden sollen. Ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte am Montag, Brüssel sei mit den irischen Behörden in engem Kontakt. Das sei normal, es werde dabei kein Hilfsprogramm verhandelt.

Am Montag tauchte das Gerücht in neuer Form auf: Irland erwäge, Geld aus dem Euro-Rettungsschirm nur für sein Bankensystem zu beantragen, so die Dubliner Zeitung »Independent«. Über eine solche Möglichkeit wolle Irlands Finanzminister Brian Lenihan heute mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel sprechen. Diese Variante würde Irland die Souveränität über seinen Haushalt erhalten.

Dublin lehnte bisher ein Anzapfen des EFSF vehement ab, da man den Verlust seiner ökonomischen Souveränität vor allem angesichts Drucks aus Berlin und Paris fürchtet. Mit Stolz und Starrköpfigkeit will sich Irland am eigenen Schopf aus dem finanziellen Sumpf ziehen: Das Budgetdefizit beträgt in diesem Jahr wegen der Bankenrettung 32 Prozent. Selbst ein radikales 15-Milliarden-Euro-Sparpaket, das am 7. Dezember dem Parlament vorgelegt wird, konnte die Märkte nicht besänftigen. Der Zinssatz, den Irland für zehnjährige Staatsschuldscheine anbieten muss, durchbrach am Donnerstag die psychologisch wichtige Acht-Prozent-Marke. Vor einem Jahr waren es 4,7 Prozent gewesen.

Dennoch hat der Finanzminister nicht unrecht, wenn er behauptet, ein Antrag auf Finanzhilfe habe derzeit »keinen Sinn«. Experten rechnen, dass Irland in den letzten Wochen 100 Milliarden Euro an Cash angehäuft hat. Lenihan: »Der Staat ist bis Juni 2011 ausreichend mit Finanzmitteln versorgt. Wir haben substanzielle Reserven. Warum sollen wir jetzt Hilfe beanspruchen? Es würde nur ein Signal an die Märkte senden, dass wir unsere eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können.« IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn lieferte Schützenhilfe: »Ich glaube, Irland kann seine Probleme ganz gut selbst meistern.«

Das ist der entscheidende Punkt. Wenn Irland auf absehbare Zeit mit Bargeld versorgt ist, warum dann jetzt – teure – Hilfe anrufen, wenn der Markt besonders schlecht ist, anstatt auf eine Beruhigung und bessere Zinsen zu warten? Lenihan kennt die Antwort: »Unsere europäischen Partner drängen auf eine Lösung.« In Dublin sprach man am Wochenende in Regierungskreisen ganz offen und verärgert von »gezielten Leaks« (Lecks) aus der EU, mit denen Irland gegen seinen Willen in den Euro-Schutzfonds gedrängt werden soll. Besonders die Europäische Zentralbank (EZB) übe »enormen Druck« aus, schrieb die »Sunday Business Post«.

Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Auch wenn die irische Regierung behauptet, ausreichende Finanzmittel zu haben, fürchtet die EZB, dass die Bankenrettung weitere Milliarden kosten könnte. Dublin holt sich das Geld dafür bei der Zentralbank, die aus Eigeninteresse eine stabilere Haushaltsposition Irlands sehen möchte: »Wir würden die Inanspruchnahme eines Rettungskredits begrüßen, aber wir zwingen sie nicht«, zitierte das »Wall Street Journal« eine »mit der Angelegenheit vertraute« Quelle.

Das wünschen sich aber auch Geschäftsbanken vorwiegend aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die die größten Investoren in irische Staatsanleihen sind. Sie reagierten einigermaßen erleichtert auf die am Rande des G20-Gipfels abgegebene Erklärung führender EU-Länder, Gläubiger würden im Falle einer Zahlungsunfähigkeit zumindest vor 2013 auf keinen Fall mit zur Kasse gebeten. Inzwischen gibt es auch eine leichte Beruhigung bei den Zinsen für zehnjährige irische Staatsanleihen – am Montag lag ihre Rendite bei 7,94 Prozent.

Unmittelbar nach der Erklärung der EU-Länder kam auch die erste Meldung über ein Hilfsersuchen Irlands. Zufall? Noch wehrt sich Dublin, aber die Uhr tickt gnadenlos. Kommentar Seite 8

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