Eurovignette verärgert die Lkw-Branche

Abgabe für Lärm und Umweltschäden beschlossen / Müssen Verbraucher die Zeche zahlen?

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Brummis sollen künftig für Lärm, Umweltschäden und das Fahren während Stoßzeiten zur Kasse gebeten werden können. Darauf hat sich die EU geeinigt. Deutschland will die neuen Maut-Möglichkeiten zwar nicht sofort nutzen, die Branche tobt dennoch.

Der Durchbruch ist gelungen: Brummis dürfen künftig für die Verursachung von Lärm und die Belastung der Umwelt zur Kasse gebeten werden. Das entschieden die EU-Verkehrsminister unlängst in Luxemburg. Jedes EU-Land, das eine Lkw-Maut auf seinen Straßen eintreiben möchte, darf die genannten Faktoren künftig bei der Abgabe berechnen. Bislang war das verboten, es durften nur die Schäden an der Infrastruktur – also den Straßen – bei der Maut berücksichtigt werden.

Der Feinschliff am Gesetzestext, der in Brüssel unter dem Namen »Eurovignette« gehandelt wird, steht zwar noch aus. Aber die Positionen der Verhandlungspartner – des EU-Rats und des EU-Parlaments – stimmen bei den Punkten Lärm und Umwelt überein. Strittig ist noch, wie das Verursachen von Staus auf die Maut aufgeschlagen werden darf. Das Parlament möchte die Verursachung von Staus gerne grundsätzlich berücksichtigt wissen. Die Mitgliedstaaten wollen nur auf festgelegten Strecken zu bestimmten Zeiten eine um maximal 175 Prozent höhere Maut als zu Normalzeiten zulassen. Und das auch nur für eine Dauer von maximal fünf Stunden.

Doch warum will die EU überhaupt die Lkw-Maut ändern? Zum einen nimmt der Verkehr auf den Straßen immer mehr zu. Dabei werde vieles mit Lastkraftwagen befördert, was genauso gut per Bahn oder Schiff transportiert werden könnte. Bei einer teuren Brummi-Maut könnte es sein, dass einige Spediteure ihre Ware lieber auf Wasser und Gleisen transportieren – es gäbe weniger Verkehr auf den Straßen. So hofft die EU.

Zum anderen sieht man auf europäischer Ebene nicht ein, warum die Allgemeinheit durch Steuergelder für die Schäden aufkommen soll, die nur eine bestimmte Branche verursacht. In diesem Fall die Lkw-Betreiber. Wer den Schaden verursacht, soll dafür auch bezahlen. Das ist die Idee.

»Aber in Brüssel muss man sich mal überlegen, dass man so nicht verfahren kann«, kritisiert Winfried Reimer, Prokurist beim Kehler Spediteur Klumpp + Müller. Es könne doch nicht sein, dass nur eine Branche die Rolle des Buhmanns spielt. Auf Straßen fahren auch Pkw – und für die gebe es keine Maut. Zumindest nicht in Deutschland. Genauso wenig wie für Züge und Schiffe. »Die Bahn hat auch gar nicht die Kapazitäten, um in großem Stil Güter von der Straße zu übernehmen«, führt Reimer ein zweites Argument gegen die EU-Überlegungen an.

Auch die Lkw-Verbände sehen ihre Branche völlig zu unrecht benachteiligt und wettern lautstark gegen die EU. Doch die sieht die neue Lkw-Maut sowieso nur als ersten Schritt zu ähnlichen Abgaben, die auch für Bahn, Schiff und Flugzeug eingeführt werden sollen.

Dem Verbraucher drohen dann höhere Preise. Denn wenn sich der Gütertransport verteuert, wird sich das auch auf die Produkte niederschlagen. Zwar hat die EU-Kommission berechnet, dass die Erhöhung durch die neue Maut nur minimal sein wird: Ein Keks, der unter den Bedingungen der neuen Abgabe auf der Strecke Rotterdam-Köln transportiert wird, würde um 0,26 Prozent teurer, eine Jeans um 0,03 Prozent, ein Pkw um 0,14 Prozent. Aber mehr muss dennoch bezahlt werden.

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