nd-aktuell.de / 06.12.2010 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Spanien im Alarmzustand

Regierung bringt Fluglotsen mit fragwürdigen Mitteln vom Streiken ab

Ralf Streck
Zum ersten Mal seit Ende der Franco-Diktatur ist in Spanien der »Alarmzustand« ausgerufen worden – von einer sozialistischen Regierung. Diese will damit den Streik der Fluglotsen für bessere Arbeitsbedingungen brechen. Tatsächlich militarisiert sie den Arbeitskampf.

Seit Jahren tobt ein Streit zwischen Fluglotsen und der spanischen Regierung. Zum vergangenen Wochenende aber eskalierte der Konflikt, weil die Sozialisten einseitig per Dekret die Arbeitszeiten der Fluglotsen auf 1670 Stunden im Jahr anhoben. Ein Großteil der Lotsen erschien deshalb am Freitag nicht zur Arbeit, der spanische Luftraum musste komplett geschlossen werden. Hunderttausende hingen am Wochenende auf Flughäfen fest. Dort war der Reiseverkehr besonders groß, weil der heutige Montag und Mittwoch Feiertage in Spanien sind.

Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero verfügte erstmals seit Ende der Diktatur 1975 den »Alarmzustand«, um den »wilden Streik«, wie in die Regierung nennt, zu brechen. Die Kategorie Alarmzustand liegt unter dem Notstand. Sie ist für Katastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen und Großbrände aber auch Epidemien, Lebensmittelknappheit oder Ausfall wichtiger Dienstleistungen gedacht. Der Alarmzustand ist auf 15 Tage befristet. Mit seiner Ausrufung wurden die Fluglotsen dem Militär unterstellt.

Über Weihnachten und Neujahr soll der Alarmzustand verlängert werden, um das Streikrecht der Lotsen auszuhebeln. Per Dekret wurde damit die Kontrolle des Luftraums dem Stabschef der Luftwaffe übertragen. Die Lotsen wurden von der Guardia Civil zum Teil mit gezogenen Waffen zum Dienst zwangsverpflichtet. Wer sich weigert, wird verhaftet und kann wegen Befehlsverweigerung und »Aufruhr« in Schnellverfahren nach Militärrecht zu bis zu acht Jahren Haft verurteilt werden. Am späten Samstag begann sich unter diesen Voraussetzungen das Fluggeschäft wieder zu »normalisieren«.

An den Lotsen zeigte sich früh der autokratische Zug einer Regierung, die mit den Problemen im Land offenbar völlig überfordert ist. Was die Sozialisten als wilden Streik bezeichnen, sieht nur auf den ersten Blick so aus. Immer wieder haben sie selbst versucht, die Arbeitsbeziehung per Dekret einseitig zu regeln. Diesmal ging es darum, die Arbeitsstunden der Lotsen von 1200 auf 1670 im Jahr heraufzusetzen. Ruhepausen sollten gekürzt werden.

Der Streit um das Dekret ist alt, zunächst war es aber nicht umgesetzt worden. Weil sich in einer Urabstimmung 98 Prozent der Lotsen für einen Streik im Urlaubssommer ausgesprochen hatten, kehrten die Flughafenbetreibergesellschaft (AENA) und die Regierung an den Verhandlungstisch zurück. Die Abmachungen, die zur Aussetzung des Streiks führten, wurden aber nicht eingehalten. Deshalb spitzte sich der Konflikt im Herbst wieder zu. 47 zusätzliche Stellen, die den Lotsen im August zugesichert wurden, sind nie besetzt worden. Deshalb brachen die Lotsen ihrerseits im Oktober die Verhandlungen ab. Für sie stellt sich nun die Lage so dar, dass sie ihre Maximalarbeitszeit für dieses Jahr längst überschritten haben. Nach ihren bisherigen Arbeitsverträgen hätten sie in diesem Jahr nicht mehr arbeiten müssen.

Als das Dekret am vergangenen Freitag schließlich doch in Kraft gesetzt wurde, berichteten die Lotsen zudem von weiteren Verschlechterungen. Unter anderem Fortbildungen und Betriebsratsarbeit seien ausgeklammert worden, hieß es.