Stille Leuchtkraft

Die Galerie Luzán zeigt »Christian Rohlfs« in Aquarell, Tempera und Grafik

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Er gehört zu den Großen in der Kunstgeschichte des ausgehenden 19., beginnenden 20. Jahrhunderts und unter ihnen doch eher zu den weniger populären. Dabei stehen besonders Christian Rohlfs Temperas pastellfarben aufglühender Blumenmotive einzigartig da. Begonnen hat sein Weg 1849, im Jahr nach der Märzrevolution und als Zeitgenosse van Goghs, mit dessen Werk er sich später auseinandersetzen sollte. Zur Malerei kam der Junge durch bösen Zufall: Eine schwere Beinverletzung behandelte Theodor Storms Schwager, gab ihm zur Ablenkung Zeichenmaterial. Rohlfs Talent führte ihn an die Großherzogliche Kunstschule Weimar.

In der Klassikerstadt blieb er rund drei Dezennien, musste 1873, noch als Student, eine Beinamputation hinnehmen, war ab 1884 freier Künstler. Nach anfänglicher Begeisterung für die realistische Malerei wandte er sich dem Impressionismus zu und konnte mit 50 auf ein Oeuvre von fast 300 Gemälden verweisen. Als er auf Vermittlung an der Folkwang-Schule lehrte, kam er in Kontakt mit zeitgenössischer Malerei und wandelte seinen Stil. Von 1910 an zählt er zu den Expressionisten, dem der Ausdruck mehr gilt als der dem Moment geschuldete Eindruck. Die Farbe wird hauptsächlicher Träger seiner Motive, in Tempera auf Papier entstehen Stadtansichten, Landschaften, Darstellungen von Architektur.

Die Einschränkungen bei Ausbruch des 1. Weltkriegs bringen ihn zur Druckgrafik, die sich mit 185 Arbeiten dennoch bescheiden neben dem malerischen Werk ausnimmt. Dass die Nazis ihn unter die »entarteten« Künstler rechneten, Hunderte seiner Bilder aus Museen entfernten, hat Rohlfs geschmerzt. Am Tag vor seinem Tod 1938 schloss man ihn aus der Preußischen Akademie der Künste aus. Ein Abguss der Barlach-Plastik »Der lehrende Christus« schmückt in Hagen sein Grab. Auch an ihn, Ernst Barlach, den großen Verknapper der Form, erinnert, was die Galerie Luzán zusammengetragen hat. Mit gut 20 Arbeiten aus der Zeit von 1919 bis 1937 leistet sie einen Beitrag zur Rohlfs-Renaissance.

Von meisterlicher Komposition zeugen in Mischtechnik, geschürzt und fast frontal stehend, »Zwei Bäuerinnen«, deren Körper einander beim Intensivschwatz überlappen. Ein Jahrzehnt später, 1929, wird in der Tempera »Sonnenuntergang an der Ostsee« das Gegenständliche fast im Farbrausch verfließen. Die »Blüten«, Wassertempera und Kreide, scheinen rot und gelb auf dem blauen Grund in sparsamem Auftrag zu schweben. Wenig danach setzt Rohlfs mit starker Schraffur und kräftigem Strich quittengelbe »Früchte« gegen wiederum Blau. Das »Haus in Bosco« von 1933 in Braun-Ocker-Tönen schließlich scheint sich, hell und leicht, unter Rohlfs Hand nach unten hin mit der Umgebung zu verbünden.

Als äußerst vielseitig erweist er sich in dem Dutzend gezeigter Grafiken und Zeichnungen. Der kleine »Stinkbock« sieht wie eine Reminiszenz an die steinzeitlichen Höhlenmalereien von Lascaux aus, der schlankhalsige »Frauenkopf« »hängt« wie im Glas eines Kirchenfensters. Wer in »Die Werbung (Neger und Tänzerin)«, ein Reibedruck auf Papier, wen umwirbt, bleibt offen; weit weniger dynamisch fällt im Medium Holzschnitt ein Tanzender aus; eng umschlungen hält sich, die ganz hingegebenen Leiber von Tusche umschattet, ein »Tanzendes Paar« – mit 16,5 x 9 Zentimetern das kleinste Juwel.

Für Rohlfs’ Experimentierdrang stehen »Kleines Mädchen« in roter Kreide auf Stoff, mit konturiertem Profil in Diagonalkomposition; »Lachender Kopf« als Reibedruck auf einem von Japanpapier unterlegten Fetzen Frotteestoff; oder der mit dicker brauner Temperafarbe auf Papier abgezogene Holzschnitt »Spaziergänger«: als Gesichtsloser mit welliger Oberfläche.

Bis 18.12., Galerie Luzán, Fasanenstr. 68, Charlottenburg, Telefon 53 67 81 50, Infos unter www.luzan-berlin.de

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