Not und Spiele

Sozial Schwache in Niedersachsen dürfen nun Kinderspiele »beantragen«

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 2 Min.
Auf den ersten Blick eine nette Weihnachtsidee: Mehrere Verlage spenden für Kinder sozial schwacher Familien in Niedersachsen über 1000 Spiele. Verteilt werden sollen sie durch die Landesstiftung »Familie in Not«, gab die Pressestelle von Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) gestern bekannt. Haken bei der Sache: Es gibt im zweitgrößten Bundesland wohl weitaus mehr arme Kinder als nur 1000. Wie also die Spiele gerecht verteilen?

Weihnachtsmann spielen bei der Lösung dieses Problems sollen die Service-Stellen von »DabeiSein«. So heißt ein Sonderfonds, den das Land der Stiftung »Familie in Not« zugesellt hat. »DabeiSein« wiederum versendet einen Teil der Spiele an bedürftige Familien, »die den Servicestellen benannt wurden«. So teilt das Ministerium mit. Aber es macht auch Familien, die nicht von DabeiSein erfasst sind, Mut zur Freude auf ein kostenloses Spiel, denn: Diese Familien dürfen – und nun kommt St. Bürokratius ins Spiel – eine der gespendeten Gaben beantragen!

Noch bis zum 15. Dezember 2010, also bis morgen, könne ein solcher Antrag gestellt werden, verkündet das Sozialministerium in seiner Mitteilung, die gestern herausgegeben wurde und in Zeitungen demnach erst heute erscheinen kann. Nun also ist Eile angesagt auf dem Weg zum Spiel, falls denn die potenziellen Antragsteller trotz ihrer Bedürftigkeit eine Zeitung abonniert und die frohe Botschaft der Ministerin gelesen haben sollten.

Erster: Eine »Bewerbung« verfassen! Aus ihr, so das Ministerium, »müssen außer Namen und Anschrift der Familie die Anzahl, die Namen und das Alter der Kinder hervorgehen«. Und: »Der Bewerbung muss ein Nachweis über den Bezug von Sozialleistungen (Kopie des Bescheides) oder über die Einkünfte der letzten drei Monate beigefügt werden. Unvollständige Anträge können nicht berücksichtigt werden!«

Also los zum Kopier-Shop, zum Papierladen, Porto kaufen – mindestens eine 90 Cent-Marke für so einen dicken Brief. Ist das Papierkonvolut dann endlich vorschriftsmäßig zusammengestellt, bleibt zu hoffen, dass es heute so schnell wie möglich in einen noch nicht geleerten Briefkasten geworfen werden kann. Mahnt man doch aus der Landeshauptstadt: »Die Bewerbungen werden in der Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt«.

Nicht geschafft das ganze Brief-Prozedere? Auch kein Problem. Bis morgen noch kann ja der Antrag gestellt werden, und das geht auch per E-Mail an die Stiftung »Familie in Not«. Ist wahrscheinlich der einfachste Weg, ohne Lauferei, zumal ja wohl jede Hartz-IV-Familie über PC, Internet-Anschluss und Scanner zum Einlesen des Bedürftigkeits-Bescheides verfügen dürfte. Oder?

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal