Vorläufiges Ende einer Zitterpartie

Schleswig-Holsteins CDU/FDP-Koalition drückt Haushalt 2011/12 durch

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die CDU/FDP-Koalition in Schleswig-Holstein hat ihre bisher schwerste Belastungsprobe überstanden. Mit den Stimmen aller Abgeordneten von CDU und FDP beschloss der Landtag den Haushalt 2011/12. Sicher war das keineswegs.

Was für die FDP ein guter Tag für Schleswig-Holstein gewesen ist, bezeichnete der SPD-Oppositionsführer Ralf Stegner als schlechten Tag fürs Land. Beide bewerten damit die Verabschiedung eines Kürzungshaushalts am Mittwochabend, der aus Sicht der CDU/FDP-Regierung ein erster Schritt aus der Schuldenfalle sein soll.

Bis der Doppelhaushalt 2011/12 aber nach einer Mammutdebatte unter Dach und Fach war, hatte man im schwarz-gelben Lager Blut und Wasser geschwitzt. Denn die rechnerische Mehrheit von nur einer Stimme (die sich durch das Fehlen eines bei Eisglätte gestürzten SPD-Abgeordneten sogar noch verdoppelt hatte) war noch bis einen Tag vor der Plenarsitzung nicht gesichert, weil zwei CDU-Abweichler wegen einer aus deren Sicht ungerechten Lastenverteilung mit ihrem Nein oder einer Enthaltung drohten.

Stegners neue Volksfront

Geschlossen stimmte die Opposition gegen das vorgelegte Sparpaket. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) als Vertreter der dänischen Minderheit tat dies im Übrigen zum ersten Mal seit 25 Jahren! Da die LINKE aber auch mehrere Änderungsanträge von SPD und Grünen ablehnte – zum Beispiel einen, der lediglich auf einen moderateren Stellenabbau bei Lehrern hinauslief – und in diesen Fällen wie CDU und FDP stimmte, meinte Stegner in einer Twitter-Kurznachricht bereits von einer neuen »Volksfront in SH« schreiben zu müssen. Zum einen tobte die FDP ob solcher Aussage, zum anderen erntete der SPD-Frontmann bei den LINKEN Kopfschütteln.

Noch vor Beginn der Haushaltsdebatte demonstrierten vor dem Landeshaus Blinde und Vertreter von Frauenhäusern, die fortan von drastischen finanziellen Kürzungen betroffen sind. Für den DGB-Nord-Vorsitzenden Uwe Polkaehn steht fest, dass der nun verabschiedete Haushalt zu einem Kahlschlag bei Bildung und Soziales führen wird.

Dass der Unmut über in der Landesgeschichte noch nie vorgenommene Streichungen bis in die Reihen der CDU reichte, führte sogar dazu, dass die FDP mit dem Ende des Regierungspaktes drohen musste, um Geschlossenheit bei der Union anzumahnen. Denn diese war bei einer Probeabstimmung in der Vorwoche noch nicht vorhanden gewesen.

Mit Verweis auf die gemeinsam beschlossene Schuldenbremse in der Landesverfassung – dagegen hatte nur die LINKE gestimmt – begründete die Regierung ihr Vorgehen. Die Opposition hielt CDU-Regierungschef Peter Harry Carstensen und Co. dagegen immer wieder vor, nur auf die Ausgabenseite zu schauen und Einnahmeverbesserungen zu vernachlässigen.

Gestrichen wurde unter anderem das dritte beitragsfreie Kitajahr (Kostenpunkt 35 Millionen Euro). Bei der Kulturförderung wurde um rund eine Million Euro gekürzt. Gekappt wurden Zuschüssen im Sozialbereich wie etwa bei der Suchthilfe (1,2 Millionen), die Unterstützung für die dänischen Schulen im Lande wurde um 15 Prozent reduziert (4,7 Millionen). Eingestellt wurde die Beteiligung an Schülerbeförderungskosten (7 Millionen), die Blindenhilfe wurde halbiert (9,5 Millionen). Für den Polizeibreich wurde der Abbau von 900 Stellen und die Anhebung der Lebensarbeitszeit für Polizeibeamte von 60 auf 62 Jahre beschlossen. Zudem steht die Ansage, das Universitätsklinikum in Teilen oder zur Gänze zu privatisieren.

Grüne prüfen Klage

In der Summe bedeutet der Haushalt zwar knapp zwei Milliarden Euro neue Schulden, obwohl die Ausgaben 2011 um 332 Millionen Euro auf nunmehr 9,115 Milliarden Euro reduziert werden. 2012 steigen diese dann noch mal auf 9,272 Milliarden.

Derzeit prüfen die Grünen, ob sie gegen eine in den Haushalt aufgenommene 60 Millionen-Euro-Ausgabe für die Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbelt-Querung rechtlich vorgehen, weil sie einen verfassungsrechtlichen Verstoß sehen. Der SSW droht mit einer Klage gegen die beschlossene Minderfinanzierung.

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