»Viel zu viel Schatten« in Afghanistan

Westerwelle: Bundeswehrabzug ab Ende 2011 / LINKE fordert sofortiges Ende des Einsatzes

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Bilanzen des Afghanistan-Kriegs prägten am Donnerstag die Debatte in Deutschland und in den USA. Im Norden, wo die Bundeswehr stationiert ist, wird die Lage immer unsicherer.
Zeichnung: Harm Bengen
Zeichnung: Harm Bengen

Berlin/Washington (Agenturen/ ND). Die Zahl der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan soll Ende kommenden Jahres erstmals reduziert werden. 2014 werde dann die »Sicherheitsverantwortung in vollem Umfang an die Afghanen übergeben«, kündigte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Donnerstag in seiner Regierungserklärung im Bundestag an. Zugleich warb er für die im Januar anstehende Verlängerung des Bundeswehrmandats um ein Jahr.

Die ersten Provinzen könnten »im ersten Halbjahr 2011« in afghanische Sicherheitsverantwortung übergeben werden, sagte Westerwelle. 2014 sollten dann keine deutschen Kampftruppen mehr am Hindukusch sein. Im Dezember waren in Afghanistan knapp 4700 Bundeswehrsoldaten stationiert. Bis zu 5000 Einsatzkräfte sind dem Mandat zufolge möglich, hinzu kommt eine Reserve von 350 Mann. Wichtig sei, dass der Übergabeprozess »sorgfältig, nachhaltig und unumkehrbar« ist, sagte der Außenminister. »Wenn einen Tag nach dem Abzug internationaler Truppen die Taliban wieder einziehen könnten, wäre niemandem geholfen, den Afghanen nicht und auch nicht unserer eigenen Sicherheit.«

Westerwelles Erklärung basierte auf dem ersten sogenannten Fortschrittsbericht zu Afghanistan, den die Bundesregierung am Montag vorgelegt hatte. Die laut Westerwelle »ehrliche und realistische Darstellung« der Lage vor Ort soll den Abgeordneten bei der im Januar anstehenden Entscheidung über die Verlängerung des Bundeswehrmandats um ein Jahr helfen. Es gebe »Licht und noch immer viel zu viel Schatten« in dem Land am Hindukusch, so der Außenminister. Es bestehe aber Grund zur Annahme, dass die internationale Gemeinschaft ihre Ziele erreiche.

Die LINKE forderte erneut das sofortige Ende des Afghanistan-Einsatzes. Ihr Abgeordneter Jan van Aken wies darauf hin, dass die Mission von 71 Prozent der Deutschen abgelehnt werde.

Der Fortschrittsbericht der Bundesregierung verdeutlicht nach Auffassung des EKD-Beauftragten Renke Brahms ein »eklatantes Missverhältnis« zwischen Militär und zivilen Hilfen. Er zeige, dass im zivilen Aufbau »viel versäumt worden ist«, sagte der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), erklärte, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan rund um Kundus seit einigen Jahren »kontinuierlich verschlechtert« habe. Dennoch seien Ausrüstung und Ausbildung der Bundeswehrsoldaten »noch immer nicht in einem vernünftigen, ordentlichen Zustand«, sagte er.

Derweil sehen die USA ein Jahr nach ihrer massiven Truppenverstärkung zwar erhebliche Erfolge. Doch in vielen Gebieten sei die Lage nach wie vor prekär. Besondere Sorge bereitet die mangelnde Entschlossenheit Pakistans, gegen die Rückzugsgebiete der Taliban im Grenzgebiet vorzugehen. Mit dem Abzug der USA-Truppen soll laut dem am Donnerstag von Präsident Barack Obama vorgestellten neuesten Afghanistan-Bericht der Regierung wie geplant im Juli 2011 begonnen werden. Unklar sei aber, wie viele Soldaten nach Hause kommen. Seit der Truppenverstärkung auf rund 100 000 US-Soldaten in diesem Jahr gebe es »erhebliche Fortschritte« im Kampf gegen Taliban und Al Qaida. Es sei den Truppen gelungen, das Erstarken der Aufständischen zu stoppen. Doch nach wie vor seien die Erfolge »zerbrechlich und umkehrbar«. Zunehmend Sorgen machen sich die Militärs über die verschlechterte Lage in der nordafghanischen Kundus-Region, wo auch die deutschen Soldaten stationiert sind. Hier hätten die Taliban ihren Einfluss in diesem Jahr ausbauen können.

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