»Halts Maul!«

Frank Zappa zum 70. Geburtstag

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt nicht viele Bärte, die Ikonenstatus erreichen. Der üppige Wildwuchs von Karl Marx schwebt in dieser Kategorie sicherlich über den Dingen. Dicht gefolgt von den Schnurr- und Ziegenbart-Kombinationen russischer Revolutionäre oder auch Castros legendärer Pracht. Aus dem Bereich der Popkultur gibt es vor allem einen, der sich mit den kommunistischen Bart-Giganten hat messen können: Der Lippenschmuck des begnadeten Komponisten, Gitarristen, Sängers und Regisseurs Frank Zappa, der heute 70 Jahre alt geworden wäre.

Vor allem in den USA hatte Zappas pechschwarze Biegung über der Oberlippe mit dem Quadrat an der Unterlippe einst ähnlichen Wiedererkennungswert wie etwa eine stilisierte Mickymaus. Wo dieser Bart als Markenzeichen prangte, da konnte man bis in die 80er Jahre sicher sein, eröffnete sich eine Welt des Dada, des Sex, der Komik, der Provokation – und der alle Genres vereinnahmenden und doch sprengenden Musik auf allerhöchstem Niveau.

Bereits mit elf Jahren stand der in den USA geborene Sohn sizilianischer Einwanderer erstmals auf der Bühne, brach später das Musikstudium ab und jobbte in Musikstudios in Kalifornien. Nach Ausflügen in die Grafik und Gastspielen in diversen Bands, stieß der 1993 an Krebs verstorbene Zappa in den 60er Jahren schließlich auf Seelenverwandte. Und übernahm kurzerhand deren Projekt, das in der Folge die Popkultur Amerikas gehörig bereichern sollte: die »Mothers of Invention«. 1966 brachte die Hippietruppe ihr Debut »Freak Out« heraus – musikalisch schon ganz unter der von wilden Breaks, plötzlichen Tempiwechseln und ungewöhnlicher Instrumentierung geprägten Fuchtel des autoritären Autodidakten Zappa.

Zwar forderte Frank Zappa 1981 mit der Instrumentalplatte »Shut up and play your Guitar« (»Halt's Maul und spiel deine Gitarre«) die Konzentration auf die Musik und vor allem sein exzessives, meisterliches E-Gitarrenspiel. Man kann sein Werk jedoch nicht denken, ohne die skurrilen bis pornografischen Texte, die thematisch angelegten Bühnenshows und LPs und vor allem die auf den Liveplatten dokumentierten teils minutenlangen Songansagen. Letztere hat der manische Workoholic stets ausufernd für die Darlegung politischer bis surrealistischer Weltbilder zu nutzen gewusst, hat diese zur eigenen Kunstform erhoben. Die Einleitungen etwa zu den Songs »Cheepnis« über den Charme von trashigen Monsterfilmen oder, über Richard Nixon, »Dickie's such an Asshole« sind so komisch wie legendär.

Frank Zappas Oeuvre ist quantitativ wie stilistisch uferlos und anarchisch, dabei aber hochdiszipliniert und bis auf die letzte Note durchgeplant. Seinen Anspruch an die großen Musiker, die »unter« ihm Musik machten, setzte er mit gnadenloser Strenge durch. Einen Super-Hit hatte Zappa unter all seinen sperrigen und zerfahrenen Meisterwerken übrigens auch: Das simple »Bobby Brown« ist so bekannt, dass es die Sicht auf das wahre Zappa-Universum oft versperrt. Um so erstaunlicher ist dafür die Welt, die sich dem forschenden Fan dahinter eröffnet.

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