Anwohner gegen Clubs

Spielverderber

  • Caroline Bock, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Der legendäre »Knaack-Klub« wird bald schließen, das »SO36« hat es gerade noch geschafft. Dass sich Nachbarn wegen des Lärms über Bars und Clubs beschweren, passiert oft. Aber ausgerechnet in Berlin, der »Arm, aber sexy«-Hauptstadt, die mit ihrem Nachtleben prahlt und mit New York gemessen wird?

»Berlin hat viel durchgemacht. Jedes Wochenende«, verspricht schließlich die Tourismuswerbung. Ob das »SO36«, der »Knaack«, die Drum-and-Bass-Adresse »Icon«, die Schwulen-Bar »Zum schmutzigen Hobby« und selbst das nobel-szenige »Soho House«: Schlagzeilen über Anwohnerbeschwerden sind häufiger geworden.

Das Nachtleben hat sich mit den Bewohnern der Viertel geändert. »Wo im Prenzlauer Berg früher Clubs waren, sind heute Kindertagesstätten«, sagt Lutz Leichsenring vom Vorstand der »Clubcommission«, die Lobbyarbeit für das Berliner Nachtleben macht. Die Clubs seien Opfer ihres eigenen Erfolgs.

Heute kommen viel mehr Touristen als früher. Die Nachtschwärmer in der U-Bahn sprechen oft Englisch oder Spanisch. Club-Betreiber Cookie alias Heinz Gindullis hat beobachtet, wie sich die Nachbarschaft im Bezirk Mitte »komplett« geändert hat. Nach dem Mauerfall lockten Ruinencharme und billige Wohnungen viele Abenteuerlustige an, die 20 Jahre später mit glänzenden Augen von ihrer Ofenheizung damals schwärmen. »Man konnte auch gar nicht zu Hause bleiben, weil es kalt war«, erinnert sich Cookie. Als Club-Betreiber hat er es schwerer als in den 90ern. Die Konkurrenz schläft nicht. Man brauche für alles ein Gutachten, dafür seien die Behörden schneller, sagt er.

Viel wird in Berlin darüber diskutiert, welches Ausmaß die »Gentrifizierung« hat: Studenten und Kreative beleben ein Viertel, das wird dadurch teurer, die Verdrängung von alten Mietern setzt ein.

Der Schriftsteller Tilman Rammstedt hat diesen Prozess im Theaterstück »Brachland« für die Neuköllner Oper so zusammengefasst: »Erst Clubs, dann Off-Galerien, dann Bandräume, dann Werbeagenturen, dann Designagenturen, dann Architekturbüros, dann Modelabels, dann Coffeeshops, dann Copyshops, dann Buchläden, dann Plattenläden, dann Second-Hand-Läden, dann Hostels, dann Hotels, kreative Hotspots, W-LAN-Cafés, Alive after five Partys, Cappuccino-Kapitalismus, Mieten hoch, Laune runter, Leute weg, Stadtteil tot. Und von vorne.«

Dass die Berliner Szene langweilig geworden ist, dürfte aber dennoch kaum jemand sagen. Große Clubs wie das »Berghain«, das »Weekend« und der »Tresor« liegen nicht in klassischen Wohngebieten. Das Nachtleben sucht sich neue Orte, etwa in Friedrichshain oder in Neukölln. Und: »Wedding ist noch unerforschtes Terrain«, sagt Clubcommission-Sprecher Leichsenring.

Das »SO36« in der Kreuzberger Oranienstraße hatte im Streit mit einem Anwohner Glück. Nachbarn, Lokalpolitiker und nicht zuletzt die Toten Hosen setzten sich für den einstigen Punk-Schuppen ein. Fast 100 000 Euro flossen in die Sicherheit und den Lärmschutz. »Bei uns geht's erst mal weiter«, sagt Nanette vom »SO36«-Kollektiv.

Beim »Knaack« im Prenzlauer Berg, einer traditionsreichen Institution, gehen wegen Anwohnerbeschwerden hingegen die Lichter aus. »Wenn die Gäste das erste Bier getrunken haben und den DJ bitten, die Musik aufzudrehen, dann kann der nur noch mit den Schultern zucken«, so Konzertorganisator Patrick Radimensky. »Das funktioniert so nicht.«

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