Zügige Reaktion auf langsame S-Bahnen

Der Fahrplan von Berlin ins Umland wird schnell geändert / Land Brandenburg behält Hälfte der Zuschüsse ein

Die Züge benötigen zwar weiterhin länger von der Berliner Innenstadt bis ins Umland und zurück. Aber bald sollen sich die Fahrgäste wenigstens auf die angegebenen Abfahrts- und Ankunftszeiten verlassen dürfen. Dann wüssten sie, ob sie die Anschlüsse erreichen. Die Berliner S-Bahn passt den Fahrplan an. Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) stimmt dem zu. Ihm bleibt nichts anderes übrig. Am Freitag traf sich Vogelsänger mit S-Bahnchef Peter Buchner, etwa 20 Bürgermeistern und anderen Kommunalpolitikern, um über die Fahrplanänderung zu beraten.

Hintergrund sind die Probleme der S-Bahn GmbH. Bei Glätte im Winter bremsen die Züge gewöhnlich mit Hilfe von Sand. So geschehe es in Deutschland seit 1835, erläuterte Jürgen Ross, Planungschef beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. Doch bei den heutigen S-Bahnen funktionieren die Anlagen nicht, die den Sand auf die Schienen streuen sollen, um den Bremsweg zu verkürzen. Deshalb dürfen die Züge sicherheitshalber nur noch auf Tempo 60 beschleunigen. Normalerweise sind Spitzengeschwindigkeiten von 120 Kilometern pro Stunde drin. Der bisherige Fahrplan basierte auf Tempo 80.

Ende nächster Woche sollen die neuen Abfahrtszeiten bekannt bemacht werden, kündigte Ross an. Ab 24. Januar sollen sie gelten. An einigen Bahnhöfen werde sich nichts ändern, an anderen werde es einige Minuten Differenz geben. Eine Fahrt vom Berliner Zentrum etwa nach Oranienburg, Bernau oder Erkner werde drei bis fünf Minuten länger dauern, nach Strausberg könnten es zehn Minuten werden, sagte Ross. Mehr Details wusste er nicht. An den Einzelheiten wird noch gebastelt.

An den Zielorten müssen die Abfahrtszeiten der Busse auf die Ankunftszeiten der Züge abgestimmt werden, sagte Oberhavels Landrat Karl-Heinz Schröter (SPD). Als studierter Diplom-Ingenieur für Maschinenbau mit der Spezialisierung Instandhaltung traut sich der Landrat ein Urteil zu: »Ich glaube, die technischen Probleme sind lösbar.« Die S-Bahn habe aber offenbar darauf gehofft, dass es keinen harten Winter geben werde oder ein Wunder geschehe. Früher sei die S-Bahn in der Hauptstadt der DDR schon aus Gründen des politischen Prestiges selbst dann noch gefahren, wenn im Rest der Republik alles still stand. Heute scheine Berlin ein »Provinznest« zu sein.

Hennigsdorfs Bürgermeister Andreas Schulz (SPD) hob die Bedeutung der S-Bahn für seine Stadt hervor. 3000 Einwohner pendeln täglich nach Berlin zur Arbeit, 3000 Auswärtige verdienen in Hennigsdorf ihre Brötchen. »Die meisten nutzen die S-Bahn«, erzählte Schulz. Deshalb war es sehr schlimm, als die Züge zwischenzeitlich gar nicht mehr kamen.

Bereits im Februar möchte Verkehrsminister Vogelsänger besprechen, wie zum normalen Fahrplan zurückgekehrt werden kann. Am 20-Minuten-Takt wird sich jedoch vorerst nichts ändern. Knapp 30 Millionen Euro Zuschuss für die S-Bahn plante das Land für 2011 ein. Es würde sogar gern noch mehr ausgeben, etwa einen Zehn-Minuten-Takt nach Teltow bestellen. Doch daran sei im Moment überhaupt nicht zu denken, bedauerte Vogelsänger. Die Hälfte der Januar-Rate will er wegen der Einschränkungen einbehalten. Das so gesparte Geld soll auf jeden Fall für den Verkehr fließen. Vielleicht werden zusätzliche Regionalzüge geordert. Das Problem dabei sei, Fahrzeuge zu bekommen, erklärte Vogelsänger. Gewöhnlich werde ein Fahrplanwechsel lange vorher genau untersucht. Nun bleibe jedoch keine Wahl. Man müsse schnell handeln.

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