Dorfklatsch und große Politik

Neuer Altonaer Krimi von Jarowoy erschienen

  • Birgit Gärtner, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Was die Elbphilharmonie mit Jonagold und China mit Altona zu tun hat, erfährt man im neuen Politkrimi »Citygate Altona« des Hamburgers Robert Jarowoy.

Es gibt keine Litfaßsäulen mehr. Stattdessen stehen überall Werbeträger aus Plexiglas, auf denen zwei bis drei verschiedene Werbebanner im Abstand von wenigen Sekunden hoch oder runter gefahren werden. Diese seelenlosen Plastikständer (»Stadtmöbel«) haben die gute alte Litfaßsäule verdrängt. Der Hamburger Bezirk Altona hat allerdings noch eine. Sogar eine mit einem verborgenen Innenleben: eine Tür führt über eine Wendeltreppe in einen alten, nie ausgebauten und deshalb in Vergessenheit geratenen U-Bahn-Schacht.

Lokal und global

Doch den Bezirk plagen jede Menge andere Probleme: der Autobahndeckel, das Buchenwäldchen, kein Platz für Nicos Farm, Bauwagenplatz, Rote Flora und Schanzenfest, Pirelli, der Volkspark, die Moorburgtrasse und irgendwie auch immer noch das Bismarckbad, ein toter Bauamtsleiter und eine schwer verletzte linke Politikerin. Jonagold hat den Finkenwerder Herbstprinz verdrängt. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Geheimrat Oldenburg. Der soll dran glauben, damit die Elbphilharmonie finanziert oder die HSH Nordbank saniert wird. Auch die Kurdenfrage wird vernachlässigt. Ach, und der Hafen von Piräus wurde an die Chinesen verkauft …

Alles klar? Falls nicht: Hintergründe und Zusammenhänge erläutert Robert Jarowoy in seinem vierten Altona-Krimi »Chinagate Altona«. Darin wird die Politik des Bezirks thematisiert, die schon lange keine Kommunalpolitik mehr ist, sondern eine Spielwiese für Global Player wie IKEA, Hochtief oder Pirelli Real Estate – eine der größten Immobilienfirmen Europas und »Immobilienabteilung des gleichnamigen Mailänder Reifenkonzerns, der als Armeeausrüster in der Zeit des italienischen Faschismus zum Großkonzern wurde«, schreibt Jarowoy im Epilog. Jarowoy spinnt in seinen Krimis anhand lokaler Geschehnisse vor dem Hintergrund der Globalisierung ein Netz aus Intrigen und Korruption, in dem nur der Profit zählt, und in dem die Akteure buchstäblich über Leichen gehen: Weltpolitik gespickt mit einer ordentlichen Prise Lokalkolorit und Ottenser Dorfklatsch.

»Chinagate Altona« rankt um Immobilien- und Grundstücksspekulation im großen Stil: der real stattfindende Ausverkauf des Stadtteils wird transparent und nachvollziehbar dargestellt. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind nicht immer Zufall. Zufällig ist lediglich der Ort: Altona ist überall – in vielen Kommunen wird nicht nur das Tafelsilber verscherbelt, sondern »auch noch die Schatulle, in der es aufgehoben wurde«.

Krimiautor als Politiker

Im wahren Leben ist Robert Jarowoy Vorsitzender der Linksfraktion in der Bezirksversammlung Altona. Seit Jahren engagiert er sich im Stadtteil, beispielsweise gegen den Abriss des Bismarckbads, eines wunderschönen Schwimmbades aus der Gründerzeit, das 2007 zu Gunsten der Profitinteressen von Pirelli und Hochtief platt gewalzt wurde. Er setzt sich ein für »Nicos Farm«, ein Wohnprojekt behinderter Kinder und ihrer Eltern, und unterstützt Kleingartenvereine und Naturschützer. Der ehemalige Bio-Großhändler engagiert sich ebenso seit Jahrzehnten für die Lösung des Kurdistankonflikts. All das spiegelt sich in seinen Krimis wieder – manchmal ein bisschen viel des Guten. Trotzdem ist »Chinagate Altona« unbedingt lesenswert: für eingefleischte Krimifans – und für alle, die wissen wollen, warum der Erste Bürgermeister Hamburgs im Sommer 2010 wirklich zurückgetreten ist …

Robert Jarowoy, Chinagate Altona, VSA-Verlag, Hamburg, 2010, 144 S., 12,80 Euro

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