Teufel Alkohol trübt Geist und braune Seele

Ausländerfeindliche Jugendgruppe wegen Gewalt und Nazigebrüll angeklagt

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen

Es ist schon ein trauriger Trupp, der sich da notgedrungen im Gerichtssaal versammelt hat. Vier junge Männer zwischen 21 und 24 Jahren. Ihr einziger Lebensinhalt: Irgendwo abhängen und Bier in sich hineinfließen lassen. Irgendwann ist das benebelnde Getränk aufgebraucht und man zieht in kleineren Rudeln oder größerer Horde zur nächsten »Tanke«, um für flüssigen Nachschub zu sorgen. Mal ist man gut drauf, mal weniger. Wenn weniger gut, dann sollte ihnen besser niemand in die Quere kommen. Weil sie dann schnell mal pöbeln und zuschlagen. So geht das Tag für Tag, Woche um Woche, Monat für Monat.

Etwas verbindet die Biertrinkergemeinde: die dumpfe Gesinnung. Sie mag keine Ausländer, keine Fremdaussehenden. Nicht, dass sie schlechte Erfahrungen gemacht hätte mit Menschen nichtdeutschen Stammbaums, nein, sie passen einfach nicht in ihr schlicht gestricktes Weltbild.

So geschehen auch am 29. September 2007 gegen 2.40 Uhr. Zu zehnt landete die Mannschaft nach dem Oktoberfestbiertrinken an einer Shell-Tankstelle am Karower Damm zum gemeinsamen Biertrinken. Das war ein Tag, an dem alle nicht besonders gut drauf waren. Das konnten die zwei jungen Griechen aber nicht wissen, die an einer Tankstelle nur das machen wollten, was an einer Tankstelle eigentlich normal ist: Benzin tanken.

Plötzlich flog aus der Gruppe ein gefüllter Bierbecher gegen die Autoscheibe. Mit Hitlergruß und »Sieg-Heil«-Gebrüll bejubelte die Meute das unappetitliche Geschehen. Antonides, auf dem Beifahrersitz, stieg aus, um den Jungs seinen Ärger mitzuteilen. Das hätte er lieber nicht tun sollen. Der Trupp fiel über ihn her, schlug ihn zu Boden, trat auf ihn ein, bis er sich nicht mehr bewegen konnte. Auch Konstantinos, der Fahrer, der seinem Freund zu Hilfe eilen wollte, landete blutüberströmt auf dem Boden. Da die Nachtverkäuferin der Tankstelle sofort die Polizei rief, hielt das Siegesgeheul nur kurz.

Über drei Jahre später nun der Prozess gegen vier von zehn Prügelknaben, wo sich niemand mehr so richtig erinnern kann. Die anderen sind in anderen Verfahren, haben gerade eine Verurteilung hinter sich oder warten noch auf einen Prozess. Gefährliche Körperverletzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen heißt es in der Anklage. Einer der Verteidiger der Schläger ist Anwalt Wolfram Nahrath. Und wo Nahrath draufsteht, ist auch meist NPD drin.

Doch die Jungs hier sind mehr unpolitisch, wie sie treudeutsch erklären. Fast jeder hat irgendeinen nichtdeutschen Alibikumpel als Beleg, dass man doch gar nichts gegen Ausländer habe. Oder kennt einen, der einen Nichtdeutschen als Freund hat. An das Geschehen von damals haben sie, nicht nur alkoholbedingt, sehr vage Erinnerungen. Bierwurf ja, Heil-Ruf ja. Doch viel mehr ist nicht drin. Wer geschlagen, wer getreten, wer mit dem Schirm geprügelt hat, kann keiner sagen. Der Nico war's, das ist hängen geblieben, der hat wohl auch ein bisschen zugehauen. Nico ist nicht anwesend und nicht angeklagt, also darf er den Sündenbock spielen. Ansonsten allseits unschuldiges Achselzucken. Nur, dass sie helfen wollten, den Streit friedlich zu schlichten, dass die Opfer oben und die Täter unten lagen. Daran erinnern sich die vier Angeklagten ganz genau.

Die Videoaufzeichnungen der Tankstelle geben das Geschehen nur teilweise wieder, denn die Kameras sind auf die Zapfsäulen gerichtet und nicht auf eine wild gewordene Biertrinkerhorde. Das Urteil, gestern noch nicht gesprochen, läuft auf eine Geldstrafe und Schmerzensgeld hinaus. Das wird den Bierhahn für eine kurze Zeit versiegen lassen. Doch auf einen Wandel der Gesinnung dürfte auch nach diesem Prozess nicht zu rechnen sein.

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