Wissenschaft voll daneben

Die meisten Prognosen gingen in die Hosen

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 2 Min.
Frankreich schlägt Kroatien im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 2002. Beim Spiel um Platz drei hat Argentinien gegen Italien die Nase vorn. Und was ist mit Deutschland? Deutschland unterliegt Kroatien im Viertelfinale, in dem auch Brasilien gegen den späteren Champion Frankreich ausscheidet. Mit dieser klaren Prognose hatten sich Markus Raab und Christian Gröschner vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung kurz vor Beginn der WM an die Öffentlichkeit gewagt - und sich damit bis auf die Knochen blamiert. Denn Frankreich, Argentinien und Kroatien sind bereits in der Vorrunde ausgeschieden. Dabei waren sich die beiden Psychologen vorher so sicher: »Wenige Informationen können ausreichen, um das Ergebnis der Spiele vorherzusagen.« Doch wie es scheint, haben sie ihr hochgelobtes Computermodell schlicht mit den falschen Informationen gefüttert. So wurden bei der Berechnung weder die geschätzte Spielleistung einer Mannschaft in Angriff und Verteidigung noch die FIFA-Ranglisten des letzten Jahres berücksichtigt. Aber auch Verletzungen, wie die des französischen Topspielers Zinedine Zidane, hatten keinen Einfluss auf die Prognose. Was allein zählte, war die Rangfolge der Teams bei der letzten WM. Lediglich beim Zusammentreffen vermeintlich gleichstarker Teams musste der Zufallsgenerator über Sieg oder Niederlage entscheiden. Auf die Idee, dass die Spielstärke einer Mannschaft sich in vier Jahren auch ändern kann, kamen die Forscher offenbar nicht. Nach ihrem Modell hätte Frankreich (als Weltmeister auf Platz eins ihrer Rangliste) im Vorrundenspiel gegen Dänemark (1998 im Viertelfinale ausgeschieden) eigentlich gewinnen müssen. Haarsträubende Fehlprognosen kamen auch aus anderen Ländern. Ein Modell aus den USA etwa kürte China zum Weltmeister 2002, ein anderes sah Kroatien vorn. Hoffen darf indes der britische Sportwissenschaftler Peter O'Donoghue, der in einer aufwändigen statistischen Computeranalyse Brasilien als Sieger ermittelt hat. Gerade die Vorrundenspiele dieser WM zeigen, dass der Verlauf eines Fußballspiels von vielen unberechenbaren Faktoren abhängt: von der mentalen und körperlichen Tagesform der Spieler, vom Wechselgeschick des Trainers, vom Wetter, von der Leistung des Schiedsrichters etc. Wie sagte der Fußballphilosoph Sepp Herberger so schön: »Man weiß eben nicht, wie es ausgehen wird.«
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