Altenburger Kartenspiele

In Thüringens östlichstem Landkreis wird wieder über einen Wechsel nach Sachsen debattiert

  • Lesedauer: 3 Min.
Soll sich das Altenburger Land von Thüringen trennen und nach Sachsen gehen? Mit diesem Gedankenspiel hat Landrat Rydzewski eine Debatte losgetreten. Doch die Erfolgsaussichten wären gering.

Altenburg (dpa/ND). Seit dem Neujahrsempfang von Landrat Sieghardt Rydzewski (parteilos) ist eine Debatte über einen Wechsel des Altenburger Landes nach Sachsen entbrannt. Doch die Hürden für einen solchen Schritt sind immens, das Ansinnen wohl wenig realistisch. Der streitbare Lokalpolitiker versucht inzwischen wieder die Wogen zu glätten. Dies sei eine sehr spannende und kontroverse Diskussion, mehr aber auch nicht, sagte er am Donnerstag im Gespräch mit der »Osterländer Volkszeitung«.

Doch das immense Echo ist auch ein Stimmungsbarometer: Viele Menschen in der Region Altenburg fühlen sich von der Thüringer Landesregierung stiefmütterlich behandelt. Dass der kleine Passus in seiner Neujahrsansprache so hohe Wellen schlägt, hat Rydzewski wohl selbst nicht erwartet. »Aber vielleicht müssen wir ja doch ganz ernsthaft darüber nachdenken, ob wir tatsächlich dem richtigen Bundesland angehören«, sagte er am vergangenen Freitag laut Redemanuskript. »Man sollte mal die Bürger fragen.«

Erinnerung an die 1990er

Ähnliche Töne hatte er zuvor hin und wieder in der Debatte um die Ablehnung der Landesregierung zu finanziellen Hilfen für den Altenburger Flugplatz angestimmt. Doch nun schwirrte die Idee einer Volksabstimmung durch die Luft.

Ein Wechsel des Landkreises mit seinen rund 100 000 Einwohnern und knapp 57 000 Hektar Fläche wäre an hohe Hürden gebunden. Thüringen und Sachsen müssten dazu einen Staatsvertrag schließen, der auch noch vom Bundestag abzusegnen sei, erklärte die Sprecherin des Justizministeriums in Erfurt, Doreen Tietz. Danach müssten die Einwohner des Altenburger Landes dem Wechsel noch in einem Volksentscheid zustimmen. Andere Experten meinen, dass sogar alle Thüringer zu einem solchen Entscheid aufgerufen werden müssten. Hohe Hürden für eine solchen Schritt sieht auch Ralf-Uwe Beck vom Landesverband »Mehr Demokratie in Thüringen«. »Grundsätzlich ist so etwas nur schwer umsetzbar«, erklärte er am Donnerstag. Eine Befragung der Einwohner, wie sie Rydzewski in seiner Neujahrsrede andeutete, hält er für legitim, um ein Stimmungsbild der Menschen in der Region zu erhalten. Doch sei das Ergebnis unverbindlich. Dies ruft bei den Altenburgern schlechte Erinnerungen aus der Wendezeit wach. Damals musste entschieden werden, ob der Kreis zu Thüringen oder Sachsen gehören soll. Zwar votierten die Menschen mehrheitlich für Sachsen, der Kreistag stimmte aber für Thüringen – dessen östlichster Zipfel das Altenburger Land seither ist.

Kopfschütteln in Erfurt

Bei einem Wechsel nach Sachsen stünde wohl ohnehin der Fortbestand als eigener Landkreis infrage. Denn für sächsische Verhältnisse ist der Kreis Altenburger Land zu klein. Wie eine Sprecherin des Dresdner Innenministeriums sagte, müssen dort alle Kreise bis 2020 mindestens 200 000 Einwohner haben. Für die sächsische Regierung spiele die Debatte um einen Gebietswechsel bislang keine Rolle, hieß es aus der dortigen Staatskanzlei. In den 1990er Jahren waren den Angaben nach per Staatsvertrag einzelne Gemeinden im Vogtland von Thüringen nach Sachsen gewechselt, ein ganzer Landkreis wäre aber ein Novum.

Gegen den Willen der Landesregierung ist nach Expertenmeinung ein solcher Gebietswechsel sowieso nicht durchzusetzen. Und die Meinung in Erfurt ist klar: Als »sehr abwegig« bezeichnete Vize-Regierungssprecherin Marion Wolf den Vorstoß aus dem Osten des Freistaates. Sie wollte diese Gedankenspiele daher auch nicht weiter kommentieren.

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