Jetzt gehts rund bei der S-Bahn

Ring nach 41-jähriger Unterbrechung wieder geschlossen

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 2 Min.
Solche Menschentrauben vor den Fahrplanaushängen der S-Bahn hat man schon lange nicht mehr gesehen. »Linksherum oder rechtsherum nach Wedding?«, lautete gestern die Kreis-Frage für Marlies und Dieter Bertold auf dem S-Bahnhof Treptow, die sie dann ganz pragmatisch entschieden: »Die Bahn, die zuerst kommt, nehmen wir.« Weniger entscheidungsfreudige Fahrgäste wandten sich kopfschüttelnd an die junge Menschen, die sich in weißen T-Shirts als »Herr des Ringes« zu erkennen und fleißig Auskunft gaben. Vor allem aber verteilten sie die neuen Fahrplanhefte und mussten sich dabei Kommentare anhören wie »das versteht doch keiner«. Damit es S-Bahn-Azubi Tino Schreiber versteht, war er mit rund 100 weiteren Nachwuchs-S-Bahnern von seinem Unternehmen für den Ringschluss extra geschult worden. Für die Fahrgäste gibts keine Theorie, nur die Praxis. Die meisten würden das neue Linienkonzept aber gar nicht als so kompliziert empfinden, meinte Tino. Viele wollten von ihm den neuen Fahrplan als Souvenir oder schlicht nur wissen, wo es die T-Shirts gibt. Solch nette Hemdchen trugen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig nicht, als sie am Sonnabendnachmittag das Signal für die Schließung des S-Bahn-Rings nach 41-jähriger Zwangstrennung gaben. Aber immerhin waren sie zur Feier des Tages zünftig mit den entsprechenden Kellen und roten Kopfbedeckungen ausgestattet. Star des Tages war jedoch vor Hunderten Schaulustigen am Bahnhof Westhafen ein neu lackierter Zug der Baureihe 485 aus DDR-Produktion, der wieder in den Traditionsfarben Rot-Gelb glänzte. Von Wedding kommend, wurde er per symbolischen »Pufferkuss« mit einem der bisher rot-schwarzen Ringzüge verkuppelt. Die S-Bahn stellte in Aussicht, dass diese »Coladosen« alle wieder ihr traditionelles Outfit erhalten, sollte es den Berlinern so gefallen und das nötige Kleingeld zusammenkommen. Tausende nutzten am Sonnabend die Chance, den Ring gleich mehrmals zu umrunden. Seit gestern funktioniert das nicht mehr. Nach einer Runde, die 63 Minuten dauert, und einer weiteren halben verlassen die Bahnen den Ring wieder Richtung Schöneweide oder Bernau. Seit gestern dient die Ringbahn auch als Umleitungsstrecke: Für die S-Bahn im Nordsüd-Tunnel, der für vier Monate gesperrt ist, und für die Stadtbahn zwischen Friedrichstraße und Zoo, wo ab 22. Juni die S-Bahngleise auf die neue Trasse am Lehrter Bahnhof verschwenkt werden. Laut S-Bahn ist die Umstellung auf den neuen Fahrplan reibungslos verlaufen.
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