Biogift aus dem Hähnchenstall

Bei Braunschweig ist eine riesige Mastanlage geplant. Es gibt Proteste

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
85 000 Hähnchen soll die Mastanlage fassen, die bei Üfingen und Alvesse nahe Braunschweig entstehen soll. Ärzte warnen vor Lungenkrankheiten, Asthma und Schleimhautentzündungen bei den Bewohnern der Umgebung des Riesenstalls.

Eine Hähnchenmastanlage für rund 85 000 Tiere werde die Gesundheit der Menschen im Umkreis der niedersächsischen Dörfer Üfingen und Alvesse nahe Braunschweig gefährden. Das befürchtet die Bürgerinitiative (BI), die sich gegen den geplanten Großkomplex wendet. Eine aktuelle wissenschaftliche Studie untermauert die Sorgen der Bevölkerung. Die Bürgerinitiative hat nun einen Brief an Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) geschrieben, in dem sie ihn auffordert, die bereits erteilte Genehmigung für den Großstall zu überprüfen.

500-Meter-Gefahrenzone

Lungenkrankheiten, Asthma und Schleimhautentzündungen drohen durch Erreger, die mit der Abluft aus dem Betrieb hinausgeblasen werden: So lässt sich die Studie zusammenfassen, die drei Ärzte erstellt haben. Als Grundlage dienten ihnen dabei Erkenntnisse, die bei Untersuchungen zu einem vergleichbaren Stall im Kreis Aurich gewonnen wurden.

Bei der Betrachtung verschiedener Mastställe sei festgestellt worden, dass in Betrieben mit Hähnchen die Konzentration schädlicher Erreger am massivsten ist, erklären die Ärzte. Es geht vor allem um Bakterien – die Verfasser der Studie schreiben von »Bio-Aerosolen, Biotoxinen und Keimen«. Diese würden, abhängig vom Wind, mehr als 500 Meter außerhalb des Maststalles verbreitet.

Wird McAllister antworten?

Gefahr für die Gesundheit gehe darüber hinaus vom Kot der Tiere aus, der mit Streumaterial auf betriebseigenen Flächen außerhalb des Stalls ausgebracht werden soll. Dort stellten die im Kot enthaltenen Biogifte wegen ihres langen Überdauerns in der Umgebung eine erhebliche Bedrohung für die Atemwege dar, warnen die Ärzte. Auch würden beim Transport der gemästeten Tiere aus den Fahrzeugen heraus Keime freigesetzt, die beim Menschen Krankheiten auslösen können.

Die Bürgerinitiative gibt in ihrem Brief an McAllister zu bedenken, dass Ställe in der Dimension des Alvesse-Projekts wegen ihrer Lage im Außenbereich keine Umweltverträglichkeitsprüfung, keine Filter und kein Keimgutachten vorweisen müssen. »Durch Tierkeime, die gegen Antibiotika resistent sind, sterben Menschen« – aber gegen die Keimverbreitung könne man wirksame Filter einsetzen, schreibt die BI.

Gefordert wird, dass sich der Regierungschef zur »Bevorzugung solch großer Ställe« ebenso äußert wie zu den Themen Filter und Keimgutachten. Spätestens mit dem Schreiben der Initiative sei McAllister über die Gesundheitsgefährdung informiert und trage »ab jetzt die volle Verantwortung dafür«, betonen die Projektgegner. Sie erwarten bis zum 7. Februar eine »persönliche Antwort« des Ministerpräsidenten.

»McAllister darf die Proteste nicht überhören«, unterstreicht die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im niedersächsischen Landtag, Marianne König. Auch an dem heftigen Widerstand der Bürgerinitiative Üfingen-Alvesse werde deutlich, dass die Bevölkerung keine industriellen Mast- und Schlachtanlagen haben will.

Konkurrenz der Bauern

Die Abgeordnete der LINKEN verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Proteste gegen den geplanten Geflügelgroßbetrieb in Wietze bei Celle. Dort könnten täglich 200 000 Tiere geschlachtet werden. Der Bau aber verzögert sich. Das werte die LINKE als Zeichen dafür, dass die Pläne des Betreibers nicht aufgehen.

Das Unternehmen, die Firma Rothkötter, solle von dem Projekt Abstand nehmen, fordert Marianne König. »In immer mehr Landkreisen wächst der Widerstand gegen die unzähligen Mastställe, die dazu nötig sind, den Mega-Schlachthof mit Tieren zu beliefern.« Zudem seien die geplanten Produktionszahlen nicht umsetzbar – sie würden für viele Landwirte einen gnadenlosen Konkurrenzkampf bedeuten.

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