Mogelpackung Bioethanol?

Hans-Udo Weiland vom BUND Sachsen zur Debatte um den neuen Sprit E10 / Hans-Udo Weiland (68) ist seit 2007 Landesvorsitzender des BUND Sachsen

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Der BUND Sachsen fordert Autofahrer zum Boykott der »Mogelpackung im Ökogewand« auf. Warum ist der neue Super-Sprit E10, dem zehn Prozent »Bioethanol« beigemischt ist, eine Mogelpackung?
Weiland: Der Begriff »Bio« wird gerne verwendet, um dem Verbraucher Gesundheit, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit zu suggerieren. Bei E10 besteht die einzige Verbindung zu »Bio« darin, dass der Alkohol aus eigens dafür angebauten Pflanzen hergestellt wird. Was gerne verschwiegen wird, sind die Belastungen von Luft, Boden und Gewässern in der Intensivlandwirtschaft. Neben einer vollständigen Energiebilanz ist eine vollständige CO2-Bilanz unverzichtbar. Erst diese Gesamtbetrachtung könnte Auskunft darüber geben, inwieweit E10 tatsächlich eine Verbesserung darstellt.

An Tankstellen dürfen aber doch nur Biokraftstoffe verkauft werden, die ein Nachhaltigkeitszertifikat besitzen.
Hier drängt sich das Gefühl auf, dass mal wieder der Bock zum Gärtner gemacht wird. Genauso könnte die Polizei auf die Idee kommen, Gebäudesicherungssysteme von Einbrechern entwickeln zu lassen. Die Durchführung der Zertifizierung ist eine Schwachstelle des gesamten Zertifizierungssystems.

Sie kritisieren die Politik der sächsischen Landesregierung, die den Energiepflanzenanbau auf immer größeren Flächen unterstützt. Wie hat sich die Flächennutzung bisher verändert?
Aufgrund der Förderpolitik steigt die Fläche für den Anbau von Biomasse überproportional an. Aber selbst wenn alle landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland zum Biomasseanbau genützt würden, könnte der Energiebedarf nur zu sieben Prozent gedeckt werden.

Welche Folgen hat das für die Landwirtschaft?
Ein wichtiger Aspekt ist, dass der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln Flächen entzogen werden. Die Folge sind bei uns in Deutschland steigende Preise, die unausweichlich zu steigenden Nahrungsmittelpreisen führen. Das bekommt ein anderer Zweig der Landwirtschaft, die Schweinezucht, bitter zu spüren.

Stehen also der Nahrungsmittelanbau und der Energiepflanzenanbau in direkter Konkurrenz zueinander?
Bisher gibt es in Sachsen keine Übersicht über Flächenansprüche der Nahrungs- und Futtermittelerzeugung und konkurrierender energetischer Nutzungen. Das bedeutet, die Staatsregierung fördert den Anbau, ohne zu wissen, welche Auswirkungen das auf die übrigen Wirtschaftsbereiche haben wird.

Welche Probleme sehen Sie aus Sicht des Naturschutzes?
Brachflächen werden reaktiviert und so ihrer ökologischen Funktion beraubt. Aus wirtschaftlichen Gründen wächst der Druck, durch erhöhten Pestizideinsatz die Erträge pro Hektar zu steigern.

Zum Vorwurf der Förderung von Monokulturen vertritt die Agentur für Erneuerbare Energien den Standpunkt, dass die große Artenfülle an Energiepflanzen die Agrarlandschaft sogar bereichern könne.
Entscheidend ist nicht, was in der Fruchtfolge angebaut wird. Entscheidend für die Artenvielfalt ist die Strukturvielfalt. Raps so weit das Auge reicht, oder was auch immer, bedeutet Strukturarmut und das hat vergleichbare Folgen wie echte Monokulturen. Pflanzenvielzahl als Artenvielfalt zu definieren, ist fachlich nicht tragbar. Entscheidend sind Lebensgemeinschaften aus Pflanzen und Tieren, die ein funktionierendes Ökosystem bilden.

Fragen: Eva Mahnke

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