nd-aktuell.de / 11.02.2011 / Politik / Seite 3

Hart Backbord

Christin Bernhold will für die LINKE in die Bürgerschaft einziehen

Britta Warda
Mit über hundert Rüstungsgüterproduzenten ist Hamburg ein Tor zur Welt des Krieges.(Christin Bernhold)
Mit über hundert Rüstungsgüterproduzenten ist Hamburg ein Tor zur Welt des Krieges.(Christin Bernhold)

Sie wirbelt von einer Wahlkampfveranstaltung zur nächsten, hält Reden, verteilt Flugblätter. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht? »Ja, die gehört nämlich gründlich gegen den Strich gebürstet«, meint Christin Bernhold. »Solange die herrschende Logik der Geschichte sich irrational gegen die Menschen richtet, bleibt ja nur die Möglichkeit, dieser Logik zu spotten«, paraphrasiert die LINKEN-Nachwuchspolitikerin eine Aussage der marxistischen Philosophen Theodor W. Adorno und Max Horkheimer.

»Allein in Hamburg fehlen 10 000 Ausbildungsplätze. Der Klassenkompromiss ›Sozialstaat‹ wurde radikal beschnitten, entdemokratisiert und zu einem Straf- und Überwachungsapparat umfunktioniert, an dessen Pranger vor allem prekarisierte ›gewalttätige Jugendliche‹ stehen«, begründet Bernhold am Beispiel Jugendpolitik die Notwendigkeit einer antikapitalistisch ausgerichteten Praxis.

Bernhold entschied recht früh, in welche Richtung ihre Reise geht: Hart Backbord. Nach dem Abitur zog sie nach Costa Rica. Dort leistete sie Friedensdienst in einem Heim für Schwerbehinderte. Gleich nach ihrer Rückkehr beteiligte sie sich an den Protesten gegen den G8-Gipfel und wurde Mitglied der Roten Hilfe. 2007 gründete sie zusammen mit anderen Genossen die Kampagne »Freiheit für Binali Yildirim«, einen in Spanien inhaftierten kurdischen Kommunisten. Ein Jahr später trat die Geografiestudentin der Linksjugend bei und baute im Arbeiterstadtteil Wilhelmsburg eine Basisgruppe mit auf. Heute ist die 28-Jährige Mitglied im Landessprecherrat von Solid.

Wer wie Bernhold die Welt nicht bloß von links interpretieren, sondern verändern will, richtet sich nicht in Parteibüros ein, sondern geht auf die Straße und sucht den Schulterschluss mit außerparlamentarischen Bewegungen. So schmiedeten Bernhold und ihre Solid-Gruppen vor zwei Jahren ein friedenspolitisches Bündnis mit linken Antimilitaristen. Sie organisieren Demonstrationen gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan, Vortragsreihen über die geopolitischen Hintergründe und Go-Ins bei PR-Veranstaltungen der Streitkräfte – auf der Jobmesse und beim Hafengeburtstag. Dass die umtriebige junge Frau eine Menge bewegen kann, sprach sich schnell herum bei den Hamburger LINKEN. Im Januar wählten sie Bernhold auf Platz sieben ihrer Landesliste. Sie könnte als Jüngste der Fraktion in die Bürgerschaft einziehen – wenn die Partei ihr Ergebnis von 2008 hält.

»Die neuen imperialistischen Kriege sind die aggressivste Form des Klassenkampfes von oben, der die meisten Opfer unter den Ärmsten der Armen dieser Welt fordert«, begründet Bernhold ihre Entscheidung, einen Schwerpunkt ihres Engagements auf eine konsequente Antikriegspolitik zu legen. Mit seinen mehr als hundert Unternehmen, die Rüstungsgüter produzieren, sei Hamburg ein »Tor zur Welt des Krieges«. Bernhold warnt zudem vor »der wachsenden Militarisierung des Inneren der Gesellschaft« und verweist auf die landespolitische Herausforderung für ihre Partei. »Die Bundeswehr kolonisiert das Bildungssystem, Jugendoffiziere besuchen die Schulen, und die Rüstungsforschung an den Universitäten boomt.«

»Frieden!« fordert Bernhold nicht nur für die Beziehungen zwischen Menschen. Die Versöhnung mit der Natur sei kein »moralischer Luxus«, sondern überlebensnotwendig. Daher plädiert Christin Bernhold, die seit sieben Jahren vegan lebt, für einen radikalen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft: »Die Fleischindustrie gehört zu den Hauptverursachern des Klimawandels.« Von Rosa Luxemburg, deren Denken und Wirken ein »Leitlicht« für ihr politisches Leben sei, habe sie nicht nur gelernt, »dass Schlachtfelder und Schlachthöfe Ausläufer einer und derselben Gewalt- und Unterdrückungslogik« seien. »Von ihr weiß ich, dass die richtige Antwort Mitgefühl und Solidarität mit allen Opfern lauten muss.«