nd-aktuell.de / 19.02.2011 / Politik / Seite 16

Fußballclubs im Kreißsaal

Immer mehr Vereine versuchen sich an extrem früher Nachwuchsarbeit

Stephanie Kirchner, dpa
Mitglieder kann man nicht früh genug rekrutieren: Fußballvereine dekorieren neuerdings sogar Kreißsäle in Vereinsfarben und verschenken kostenlose Mitgliedschaften für Säuglinge. Die Fans sind begeistert.

Düsseldorf. »Wenige von uns haben sich ihre Clubs ausgesucht, sie wurden uns schlicht gegeben«, schrieb der britische Schriftsteller und Fußballfanatiker Nick Hornby. So erging es auch dem kleinen Adrian, als er im Düsseldorfer Florence-Nightingale-Krankenhaus das Licht der Welt erblickte. Kaum geboren, steckte er schon in einem rot-weißen Schlafsack mit der Aufschrift »Nachwuchstalent« und hatte ein Mützchen mit dem Fortuna-Düsseldorf-Logo auf dem winzigen Kopf.

Um schon die Kleinsten an den Verein zu binden, hat der Club in Düsseldorf seit wenigen Tagen einen Kreißsaal ganz im Zeichen von Fortuna 95 gestaltet: Rot-weiße Fahnen hängen an den Wänden, von der Wanduhr bis zum Greifring trägt alles die Handschrift des Zweitligisten. Sogar das Notfallbettchen wurde in Fortuna-Rot lackiert. Jedes Neugeborene bekommt außerdem eine fünfjährige Gratis-Mitgliedschaft.

Seit der VfL Osnabrück vor ungefähr sechs Jahren einen – noch sehr dezent dekorierten – Geburtsraum einrichtete, übertrumpfen sich die Vereine mit skurrilen Angeboten an die Allerkleinsten. Hannover 96 zog im letzten Jahr mit einem eigenen Kreißsaal in schwarz-weiß-grün nach. In der Hamburger Asklepsios Klinik haben die Eltern gleich nach der Geburt die Wahl: Soll Babys erstes Outfit das Logo des HSV oder des FC St. Pauli tragen?

Für Fortuna-Sprecher Tom Koster geht es um mehr als nur eine Werbeaktion. Nach den Jahren im »Tal der Tränen«, in denen Düsseldorf in der vierten Liga spielte, sei dies eine identitätsstiftende Maßnahme. Die Fans nehmen das Angebot begeistert an. Sechs kleine Neu-Mitglieder erblickten binnen weniger Tage die Welt als Fortuna-Welt. Die Anhänger anderer Vereine kann die Klinik beruhigen: Es stehen auch neutrale Kreißsäle zur Verfügung.

Die Eltern des kleinen Adrian, Claudia (30) und Marc (35) Barsch, bereuen nichts. Ihr Mann hatte die Idee, das Kind hier auf die Welt zu bringen, gibt Mutter Claudia zu: »Bei der Geburt kriegt man eh nichts mit«. Nun hofft sie, dass der Kleine später auch selbst Fußball spielen möchte. Aus ärztlicher Sicht ist laut Oberarzt Dominik Garcia-Pies, selbst bekennender Fortuna-Fan, an der Einrichtung nichts auszusetzen. Auch wenn es für ihn einige Dinge gibt, die nicht in einen Kreißsaal gehören. Fortuna-Schnuller lehnt er ab, weil die Babys lernen sollen, an der Brust zu trinken. Die leuchtend-rote Bettwäsche wird nur für die Pressefotografen herausgeholt – im Krankenhaus muss Bettwäsche weiß sein. Eine gemütliche Atmosphäre ist für den Arzt bei Geburten allerdings wichtig, denn: »Ein Spiel dauert 90 Minuten, bei uns gehen wir immer in die Verlängerung«.