nd-aktuell.de / 19.02.2011 / Reise / Seite 30

Flanieren bei 48 Grad im Schatten?

Alles ein bisschen größer, höher, länger und exklusiver – in Dubai gilt: klotzen, nicht kleckern

Alexander Richter
Der Burj Khalifa in Dubai Downtown – mit 828 Metern das höchste Gebäude der Welt
Der Burj Khalifa in Dubai Downtown – mit 828 Metern das höchste Gebäude der Welt

Klotzen, nicht kleckern: Auch für den neuen Stadtteil »Downtown« im Glitzer-Emirat Dubai gilt dieses Motto. Die neue Mitte Dubais ist – wie könnte es anders sein – gigantisch: Zwischen dem welthöchsten Turm (Burj Khalifa), der weltgrößten Einkaufsmeile (Dubai Mall), der welthöchsten Wasserfontäne (Wasserspiele zu Musik) und dem futuristischen Flagship-Gebäude der The-Address-Hotelgruppe (Tipp für nachts: Neos-Bar auf der 63. Etage) ist für viele Millionen eine Kunstwelt aus Beton, Glas, Holz und Wasser aus dem Wüstensand gezaubert worden, die erlebt werden will.

Jetzt im Winter macht eine Besichtigung der neuen Mitte Spaß. Bummeln wie in Berlins Unter den Linden soll auch in Downtown Dubai der Hit werden. Die Tourismusgewaltigen des Emirats werben damit, dass die Gäste doch bitte schön – ähnlich wie in New York, Bangkok oder Sydney – die City laufend erleben sollen. Bei angenehmen 25 Grad wie in diesen Tagen hat so ein Bummel durch Downtown auch wirklich einen hohen Erlebniswert. Es gibt so viel zu sehen. Im Sommer aber geht die Rechnung der Offiziellen bestimmt nicht auf – man kann gar nicht genug Hand- und Taschentücher einstecken – das Hemd oder die Bluse kleben nach 50 Metern schweißnass auf der Haut. Garantiert!

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Da überrascht es, wenn vor Ort die Parole ausgegeben wird: »Kommen Sie doch mal im Sommer, es lohnt sich. Wir sind da eine echte Alternative zu anderen Sonnenzielen!« Diese freundliche Einladung des Tourismusmanagers ist ernst gemeint: Dubai will bei den Besucherzahlen klotzen, nicht kleckern – 35 Millionen Gäste sollen jährlich das Emirat als Destination wählen. Soweit die Planung. Die Realität sieht anders aus: Bei extremer Hitze um die 48 Grad und sehr hoher Luftfeuchtigkeit sind die heißen Sandstrände am Persischen Golf im Sommer nicht unbedingt eine Lieblingsadresse für europäische Besucher. Um Downtown Dubai macht man sogar am besten einen großen Bogen – da steht die Hitze förmlich. Aber der freundliche Manager weiß auch da Rat: Dann gehe man eben shoppen, ins Museum, in eine Galerie, zum Skilaufen oder Eistanzen – da sei alles klimatisiert. Raus an die hitzegeschwängerte Luft müsse kein Mensch! Dubais Urlaubsuhren ticken anders … – nur den klimatisierten Bürgersteig haben sie noch nicht erfunden.

Dafür punkten sie beim Einkaufen: Mit über 50 Shopping Malls und Basaren ist das Wüstenemirat weltweit der Einkaufskönig Nr.1. Die Macht des Angebots – es gibt in »Do Buy« nichts, was es nicht gibt. Der tägliche Kaufrausch wird eigentlich nur von den Öffnungszeiten begrenzt, sonst geht’s rund. Die weltweit größte klimatisierte Einkaufszone ist derzeit die »Dubai Mall« unweit des Turmgiganten Khalifa: Auf über einer Million Quadratmetern tummeln sich rund 1200 Shops und 120 Restaurants, der größte Gold-Souk, das größte Aquarium der Welt über drei Etagen (über 3000 Fische, darunter 150 Haie), ein Wasserfall, eine Kunsteisbahn mit Eishockeymaßen und satten 14 000 Parkplätzen. Wichtig zu wissen: das Angebot ist riesig, alle hochklassigen Marken sind vor Ort, leider aber sind die Preise hoch – da kaufen wir in Deutschland fast immer günstiger ein. Das beliebteste Werbeplakat in der Mall besteht aus zwei Worten: »Coming soon« oder auch »Opening soon«. Was bedeutet: Viele der Shops wechseln häufiger den Anbieter.

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Nicht entgehen lassen sollte man sich einen Besuch der Aussichtsplattform des 828 Meter hohen Burj Khalifa auf der 124. Etage in 452 Metern Höhe (ab 20 Euro). Der Aufzug rast in einer knappen Minute hinauf. Nach 30 Minuten wird man freundlich, aber bestimmt wieder hinunter gebeten. Wer Sinn für Humor hat, der sollte sich als Souvenir einen in allen Farben leuchtenden »Schüttelturm« aus Kunststoff kaufen: Auf dem steht hin und wieder noch der alte (eigentliche) Name – Burj Dubai, der dann aber vor einem Jahr als Burj Khalifa getauft wurde. Der neue Geldgeber wollte es so. Übrigens: Im Turm lebt auch der »Palast der Republik« weiter – einige tausend Tonnen recycelten Stahls aus Berlin-Mitte wurden im Khalifa verbaut. Um alle Scheiben des Gebäudes zu säubern, brauchen die Fensterputzer satte drei Monate – und dann geht’s wieder von vorne los!

Klotzen, nicht kleckern: Was für die deutsche Hauptstadt im Kleinen gilt, ist auf der Arabischen Halbinsel Pflichtprogramm. In benachbarten Qatar ist der Markt zwar noch durch die Ruhe vor dem kommenden Sturm der Fußball-WM 2022 gekennzeichnet. In Dubai aber steigt die Zahl der Hotelzimmer schon jetzt unaufhörlich. Im vergangenen Jahr allein um zehn Prozent.

Wenn die meisten es sich sicher auch nie leisten können werden, ein Blick ins Innere des »Armani«, des neuen Luxushotels im unteren Teil des Burj Khalifa, ist aufschlussreich. Ein normales Zimmer ist schon für 400 Euro zu haben, für die edle Armani-Suite mit 400 Quadratmetern muss man pro Nacht schon 10 000 Dollar übrighaben. Dafür erledigt dann aber auch ein persönlicher Manager alle Jobs für den Gast. Und an ein kleines Mitbringsel für die Lieben daheim sollte man auch denken – wie wär's mit einem Glas Marmelade für »nur« 22 Euro?