Der Stoff zieht sich durch alle Zeiten

Freibert/Döbeln: »Poppea« krönt den Monteverdi-Zyklus

  • Werner Wolf
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit der Inszenierung »L'Incorona- zione di Poppea« (»Die Krönung der Poppea«) krönte das kleine Mittelsächsische Theater Freiberg/Döbeln seinen Zyklus der drei erhaltenen Opern Claudio Monteverdis. Und das geschah in der Nachbarschaft zu Einstudierungen von Marc-Antoine Charpentiers »Medea«, Henry Purcells »Dido und Aeneas« und Tommaso Traettas »Antigone« neben den Repertoire-Opern und auch selten gespielten Werken des späten 18., des 19. und 20. Jahrhunderts. Das Theater dokumentiert damit, was kleine Häuser bei ideenreicher Planung und Arbeit mit eigenem Sängerensemble und Orchester zu leisten vermögen. Freilich bedarf es dazu einer Leitung wie der des nach fünf Jahren scheidenden Intendanten Manuel Schöbel und eines Dirigenten wie Jan Michael Horstmann, der Sinn für die verschiedenen Stile und Spielarten besitzt.

Die Opern des 17. Jahrhunderts kommen einem kleinen Theater einerseits entgegen, weil sie kein großes Orchester fordern, stellen andererseits aber ungewohnte aufführungspraktische Anforderungen. Jan Michael Horstmann bewies nun, dass durch systematische Arbeit auch mit heutigen Instrumenten dem Klang des 17. Jahrhunderts durchaus nahe zu kommen ist. Die auf die Singstimmen und die Bassführung beschränkten überlieferten Partiturabschriften der letzten Monteverdi-Oper fordern dabei Fantasie, lassen aber auch freie Hand für eine der Stilart entsprechende instrumentale Besetzung.

Horstmann entschied sich für eine abwechslungsreiche Besetzung des Continuums mit Chitarrone, Barockgitarre (die einzigen mit Gästen besetzten Instrumente), Harfe, Cembalo, zwei Violoncelli, zwei Kontrabässen und zwei Posaunen sowie zwei Violinen und drei Trompeten als Melodieinstrumente. Er erreicht mit ihnen einen erstaunlichen, der Charakterisierung der Akteure und des Geschehens dienenden Klangreichtum. Vom ersten Cembalo aus führt der Dirigent die Sänger und Mitglieder der Mittelsächsischen Philharmonie zu einer imponierenden Gestaltung.

Das Werk erweist Claudio Monteverdi nicht nur als alle Zeitgenossen überragenden Komponisten, sondern als großartigen Musikdramatiker. Oberflächlich betrachtet, erscheint diese »Krönung der Poppea« als Intrigenstück wie zahlreiche ihr folgende Barockopern. Doch schon das Libretto von Giovanni Francesco Busenello zeigt sich im Gewand der römischen Geschichte mit Kaiser Nero, dessen verstoßener erster Frau Octavia, der ihn umgarnenden Poppea und dem zum Selbstmord gezwungenen Philosophen und Berater Seneca als eine Dichtung, die ihre Zeit und darüber hinaus immer wiederkehrende Probleme kritisch reflektiert. Hemmungslose Machtgier und unerbittliches Streben nach Vorteilen zu Lasten anderer stützt sich auf Vetternwirtschaft, Intrigen und Morde.

Monteverdi erfüllt mit seiner alle damaligen kompositorischen Möglichkeiten nutzenden Musik die Vorgänge mit reichem inneren Leben, das Worte nur andeuten können. Dabei erhalten auch die Bediensteten der Herrschenden ihr eigenes Profil. Und in der letzten Szene gesteht der reife Meister dem Nero und der nach der Verbannung Octavias zur neuen Kaiserin gekrönten Poppea eines der großartigsten Liebesduette der Opernliteratur zu (um dessen Autorschaft die Meinungen der Experten allerdings auseinandergehen).

Der Regisseur Holger Potozki entwickelt das szenische Geschehen im Zusammenwirken mit dem Dirigenten Jan Michael Horstmann weitgehend aus der Musik heraus. Er kann sich dabei auf die darstellerische Beweglichkeit stützen. Die Bühnengestaltung Jens Büttners ermöglicht schnelle Szenenwechsel, könnte aber der Musik entsprechend farbiger sein. Annette von Bodecker-Büttners Kostümgestaltung soll von Andeutungen der Römerzeit bis zu Jeans wohl die Zeitlosigkeit des Geschehens besagen, folgt damit aber nur einer vielerorts zu findenden Modeerscheinung.

Die streitenden Göttinnen des Prologs, Miriam Sabba als Schicksal, Zsuszanna Kakuk als Tugend und Lilia Milek als Amor bewegen sich im Kontrast zum Folgenden auf Stelzen. Miriam Sabba zeigt Poppea in Spiel und Gesang als ganz auf die Umgarnung Neros bedacht. Lilia Milek bleibt als Nero darstellerisch zu unverbindlich jungenhaft, beeindruckt aber im Gesang wie seine Partnerin. Für die verstoßene Octavia findet Zsizsanna Kakuk ergreifende Töne. Die für Altstimme geschriebene Partie Othos, des abgeschobenen Liebhabers Poppeas, gestaltet der Bassist Guido Kunze musikalisch und szenisch durchaus überzeugend. Dagegen wirkt Juhapekka Sainio als Seneca noch zu undifferenziert. Komödiantische Kabinettstücke bieten Susanne Engelhardt, Jens Winkelmann und Klaus Kühl. Es lohnt sich also, nach Freiberg oder Döbeln zu fahren.

Nächste Vorstellungen am 16. und 19. März sowie am 29. April, jeweils in Freiberg

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