Göttinger Tunnelblick

Presse-E-Mails von der LINKEN unerwünscht

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Göttinger Kreisverband der LINKEN rief in einer Presseerklärung SPD und Grüne im Kreistag zu einer gemeinsamen Landratskandidatur auf, um die Wahl der bereits nominierten CDU-Landratskandidatin zu verhindern. Daraufhin hat die Redaktion der in ganz Südniedersachsen verbreiteten Anzeigenzeitung »Blick« erklärt, dass Pressemitteilungen der LINKEN bei ihr nicht mehr erwünscht seien.

»Sehr geehrte Damen und Herren, dankbar wäre ich Ihnen, wenn Sie uns aus dem Verteiler streichen könnten.« Mit dieser dürren E-Mail teilte die Redaktion des Göttinger Anzeigenblattes »Blick« dem Kreisverband der LINKEN Anfang März mit, dass sie künftig keine Pressemitteilungen der Partei mehr erhalten möchte.

Wahlen im Herbst

Das allein ist noch kein Skandal. Denn im Prinzip kann jede Zeitung schreiben, was sie will, und dabei die Quellen nutzen, die ihr belieben. Doch in diesem Fall drängt sich nicht nur aus Sicht der LINKEN der Verdacht auf, dass der »Blick« auf fragwürdige Weise Publizistik und Parteipolitik vermengt. Denn Redaktionsleiter Gerd Goebel, der die E-Mail unterzeichnet hat, ist CDU-Mitglied und Bürgermeister der Ortschaft Tiftlingerode im Landkreis Göttingen. Und die Abbestellung erfolgte nach einer Presseerklärung der LINKEN, in der diese SPD und Grüne im Göttinger Kreistag zu einer gemeinsamen Landratskandidatur aufforderte, um die Wahl der bereits nominierten CDU-Landratskandidatin zu verhindern.

Im Herbst sind in Niedersachsen Kommunalwahlen. Der in ganz Südniedersachsen verbreitete »Blick« – die kostenlos verteilte Auflage liegt nach eigenen Angaben wöchentlich bei rund 110 000 Exemplaren – gehört zur »Göttinger Tageblatt GmbH & Co. KG«. Das Tageblatt ist die einzige Tageszeitung in der Region und gehört zum Madsack-Konzern, der die Presselandschaft in Niedersachsen mit seinen Leitmedien »Hannoversche Allgemeine Zeitung« und »Neue Presse« sowie etlichen Ablegern weitgehend dominiert.

Eckhard Fascher, Kreissprecher der LINKEN, stellt das im Kodex des Deutschen Presserates verbriefte Recht auf freie Themen- und Quellenwahl überhaupt nicht in Frage. Der Presserat sage aber auch, dass nicht alles, was von Rechts wegen zulässig wäre, auch ethisch vertretbar sei. In der im Pressekodex formulierten Richtlinie zur Wahlkampfberichterstattung heißt es: »Zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit gehört, dass die Presse in der Wahlkampfberichterstattung auch über Auffassungen berichtet, die sie selbst nicht teilt.«

Fascher dazu: »Wenn der Chefredakteur einer Zeitung noch nicht einmal versucht, den Anschein dieser objektiven Berichterstattung zu wahren, dann sind wir an einem äußerst kritischen Punkt angelangt.« Viele Bürger nutzten den »Blick« als einzige Informationsquelle. Durch die Ignorierung von Stellungnahmen der LINKEN würden die Leser gezielt nur über einen Teil des politischen Geschehens informiert. Das bedeute »eine akute Gefährdung ihrer freien Meinungsbildung und damit eine Erschütterung der Grundfesten unserer Demokratie«.

Ein Fall für den Presserat?

Goebel solle »seine Position revidieren«, fordert Fascher, also wieder die Pressemitteilungen der LINKEN beziehen. Die »Mutterzeitung«, das »Göttinger Tageblatt«, müsse zu der Sache Stellung nehmen. Zudem will die LINKE prüfen, ob sie den Deutschen Presserat einschaltet, so Fascher.

Goebel wies gegenüber ND die Vorwürfe zurück. Nach wie vor sei der »Blick« an Pressemitteilungen interessiert, sagt er. Die E-Mails der Parteien nähmen jedoch derart zu, »dass die ›Blick‹-Redaktion fast erstickt«. Die LINKE könne der Zeitung »natürlich« ihre Stellungnahmen weiterhin per Post oder Fax zustellen.

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