» ... und gar kein Ende!«

Jean-Henri Fabre:

  • Kai Agthe
  • Lesedauer: 3 Min.

Parallel zu seinen Kriegstagebüchern hat Ernst Jünger (1895-1998) im Ersten Weltkrieg auch ein Käferbuch geführt, in das er seine Sammelergebnisse notierte. Die Kampfpausen an der Westfront nutzte er, um den gepanzerten Tieren nachzustellen. Das Käfersammeln war, so der Jünger-Biograf Helmuth Kiesel, für ihn »ein Glück jenseits des Krieges«.

In das Käferbuch hat Jünger den 1910 in einer deutschen Zeitung publizierten Artikel »Die Goldkäferhochzeit« des Insektenforschers Jean-Henri Fabre (1823-1915) eingeklebt. Es ist der einzige Beitrag zum Thema, der sich in Jüngers Diarium findet. Der Grund ist sowohl wissenschaftlicher als auch stilistischer Art. Auf seinen Stil kommt Fabre im zweiten Band seiner »Erinnerungen eines Insektenforschers«, der jüngst als Teil einer Gesamtausgabe erschien, zu sprechen:

»Andere tadelten meine Sprache, die nicht feierlich, besser gesagt, akademisch trocken ist. Sie fürchten, dass eine Seite, die man ohne Ermüdung liest, nicht immer die Wahrheit zum Ausdruck bringt. Wenn ich ihnen glauben würde, dann ist man nur tief, wenn man dunkel ist.«

Und wirklich: Auch derjenige Leser, der sich nicht primär für Käferkunde interessiert, wird Fabres Ausführungen mit wachsender Begeisterung zur Kenntnis nehmen. Die Erinnerungen, in denen er die Resultate seiner Forschungen mitteilt, sind von großer Anschaulichkeit und hochliterarisch. So erklärt sich, dass Fabre 1912 für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde. Der wurde freilich dann an den Dramatiker Gerhart Hauptmann verliehen.

Mit großer Detailfreude und ebensolcher Zuneigung schreibt Fabre u.a. über Lehmwespe und Mörtelbiene, Rote Ameise und Pelzbienenölkäfer. Illustriert wird das von Federzeichnungen Christian Thanhäusers, die so zart sind wie die vom Entomologen beschriebenen Insekten. Seine Feldstudien betrieb Fabre, der als Mitbegründer der Verhaltensforschung gilt, auf einem Stück Land bei Sérignan-du-Comtat, das er in seinen »Souvenirs« als »Labor für lebendige Insektenforschung« bezeichnet und das, so Fabre später, »den Steuerzahler keinen Centime kostet«. Es ist ein sog. Harmas, das heißt, eine steinige, mit Thymian überwucherte Brache.

Fabre hat u.a. mit Charles Darwin (1809-1882) korrespondiert. Bei allem Erkenntnisreichtum und aller Weitsicht blieb er gegenüber der Evolutionstheorie des Engländers skeptisch. Der Entomologe war überhaupt ein skrupulöser Gelehrter, dessen Credo lautete: »Bevor ich das Für und Wider abgewogen habe, habe ich Zweifel.« Wie Rémy de Gourmont 1910 in einem hier abgedruckten Artikel erinnerte, wurde Fabre von den schlichten Gemütern in seiner Umgebung anfangs der Hexerei verdächtigt, wenn er stundenlang Bäume schüttelte oder vor Kuhfladen ausharrte. Aber 1910 galt er schon als »Zierde Frankreichs«.

Das Vorbild Jean-Henri Fabres sollte übrigens auch für Ernst Jünger produktive Folgen haben: Seine Erlebnisse als Entomologe hat Jünger 1967 in »Subtile Jagden« festgehalten. Mit Fabre hätte Jünger ausrufen können: »Was für Studienobjekte, und kein Ende!« Fabre und Jünger haben mit ihren Büchern gezeigt, wie aus Insektenkunde große Literatur werden kann.

Jean-Henri Fabre: Erinnerungen eines Insektenforschers II. Aus dem Französischen von Friedrich Koch. Mit Federzeichnungen von Christian Thanhäuser. Matthes & Seitz. 335 S., geb., 29,90 €.

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