»Ernstfall« für Universitäten

Mehr als doppelt so viele Studienanfänger wie im letzten Jahr werden 2011 in Berlin erwartet

  • Sonja Vogel
  • Lesedauer: 3 Min.

»Der Ernstfall ist da«, verkündete gestern der Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung, Christian Walther. Zuvor hatte der Bundestag die Aussetzung der Wehrpflicht beschlossen. Die Hochschulen müssen nun mit wesentlich mehr Studienanfängern zurecht kommen. Allein für Berlin bedeutet die Aussetzung der Wehrpflicht 2470 Studienberechtigte mehr – um die 1500 werden noch in diesem Jahr ein Studium aufnehmen. Peter André Alt, Präsident der Freien Universität (FU) und Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) erläuterten, wie Berlin auf die kurzfristige Mehrbelastung reagieren wird.

62 Millionen Euro sollen aus Mitteln des Hochschulpaktes vorfristig zum Ausbau der Studienplätze gezahlt werden. Sie waren von den Berliner Hochschulen vorgestreckt worden. »Dieses Geld hätten die Hochschulen sowieso bekommen – aber erst 2012«, sagte Zöllner. Die Vorfinanzierung soll den Lehrbetrieb auch für die zusätzlichen Erstsemester sicherstellen. Lediglich acht Millionen Euro wurden zum Ausgleich der Aussetzung der Wehrpflicht abgestellt.

Neben den 1500 jungen Männern werden allerdings auch noch die Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs an die Hochschulen drängen. Ihre Zahl ist noch höher – zumal gleichzeitig auch Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen die Gymnasialzeit auf zwölf Jahre verkürzen. Wie viele der 100 000 zusätzlichen Abiturienten nach Berlin kommen, ist ungewiss. »Das hat mir große Sorgen gemacht«, gab Zöllner zu. Der Anstieg der Studierenden sei durch Bundesmittel abgesichert. Durch die Aussetzung der Wehrpflicht entstehende Mehrkosten blieben bisher allerdings unberücksichtigt. Am Donnerstag wurde dann in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern beschlossen, zusätzlich 59 000 neue Plätze und 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.

FU-Präsident Alt sprach von einem »erheblichen Zuwachs an Aufgaben« für die Hochschulen. Durch die vorgezogene Finanzierung sei man aber gut gerüstet. »Die Zahl der Studienanfänger ist erheblich für Berlin, aber für die einzelnen Standorte überschaubar«, sagte Alt. Maximal 300 Studierende mehr kämen auf eine Einrichtung. Bis zum Jahr 2012 sollen deshalb 6000 Studienplätze mehr geschaffen und dauerhaft gehalten werden. Die Gesamtzahl der Plätze wird dann bei 31 500 liegen. 2006 waren es 20 000.

Die neuen Studienplätze sollen in allen Fächergruppen entstehen. Problematisch blieben aber finanzierungsaufwändige Studiengänge wie Medizin oder Physik. »Aber auch die Zahnmedizin wird den einen oder anderen aufnehmen können«, sagte Senator Zöllner.

Nach Peter André Alt wird sich die Betreuungsrelation trotz der vielen Studierenden nicht verschlechtern: »Wir werden in den Personalbereich investieren.« Vorgesehen sind allerdings nur befristete Juniorprofessuren sowie der Ausbau der Lehrtätigkeit von mit Forschung betrauten wissenschaftlichen Mitarbeitern. Neue Professoren wird es indes nicht geben.

Wie die ohnehin schon überfüllten Berliner Hochschulen ein Vielfaches an Studienanfängern in den überfüllten Räumlichkeiten unterbringen wollen? Man werde vermehrt auf Wochenenden und Semesterferien ausweichen. Durch E-Learning-Angebote bliebe der Unterricht zudem nicht mehr auf die Hochschule beschränkt. »Container werden wir nicht brauchen«, versprach Peter André Alt.

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