Freihandel nicht ohne Arbeitsrechte

Das Abkommen zwischen Kolumbien und den USA liegt seit Jahren auf Eis

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Kolumbiens Regierung ist sehr daran gelegen, das Freihandelsabkommen mit den USA endlich unter Dach und Fach zu bringen. Das liegt seit mehreren Jahren auf Eis im Repräsentantenhaus. Nun haben Abgeordnete gemeinsam mit kolumbianischen Gewerkschaftsvertretern Bedingungen ausgehandelt, unter denen das Freihandelsabkommen unterzeichnet werden könnte.

Das Telefon nebenan im Büro klingelt und Norberto Ríos lächelt wissend. »Das ist bestimmt wieder das Büro eines Abgeordneten aus den USA oder von Human Rights Watch. Die holen bei José Luciano seine Meinung zu den Auflagen ein, die sie für das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Kolumbien gerade aushandeln«, erklärt der wissenschaftliche Leiter der Gewerkschaftsschule von Medellín. Das soll, so haben es verschiedene Senatoren in den USA angekündigt, noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Druck kommt dabei von Senator Orrin Hatch aus dem konservativen Lager, der dem Präsidenten Barack Obama fehlenden politischen Willen vorwarf.

Terror gegen Gewerkschafter

Hinter den Kulissen wird aber längst an neuen Instrumenten und Auflagen gebastelt, um das Freihandelsabkommen zu ermöglichen und gleichzeitig mehr für die Sicherheit kolumbianischen Gewerkschafter zu tun. Die systematisch anmutende Jagd, die auf die Arbeitervertreter in Kolumbien seit Langem gemacht wird, ist der Grund, weshalb das Handelsabkommen im US-Repräsentantenhaus auf Eis liegt.

48 organisierte Arbeiter wurden nach Angaben der kolumbianischen Gewerkschaftsschule (ENS) 2010 ermordet. Das ist zwar deutlich weniger als noch vor einigen Jahren, als nahezu die vierfache Zahl beklagt wurde, sorgt jedoch dafür, dass Kolumbien mit weitem Abstand das gefährlichste Land für Gewerkschafter weltweit ist. Das soll sich ändern, und dafür haben Gewerkschaften in den USA wie die United Steelworkers Union sich mächtig ins Zeug gelegt. So ist Gewerkschaftsanwalt Daniel Kovalik seit Jahren für Klagen gegen US-Unternehmen wie das Bergbauunternehmen Drummond, Chiquita oder Coca Cola wegen der Verfolgung von Gewerkschaftern zuständig. Ein wesentlicher Grund, weshalb die Politik auf die Situation der kolumbianischen Gewerkschafter aufmerksam wurde und das Freihandelsabkommen nicht durch das Parlament ratifiziert wurde.

In Kolumbien wird das ausdrücklich begrüßt, denn die Gründung von Gewerkschaften wird nicht nur im Blumensektor mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln hintertrieben, so Omaira Páez von der Nichtregierungsorganisation Cactus. »Auch im Bergbausektor ist die Situation schwierig«, erklärt Norberto Ríos von der ENS. Noch nicht mal fünf Prozent der Arbeitnehmer in formellen Verträgen sind gewerkschaftlich organisiert – eine Folge des Terrors gegen die Gewerkschaften.

Druck auf Kolumbien zeigt Wirkung

2011 wurden bereits vier Gewerkschafter in Kolumbien ermordet, darunter zwei Lehrer. Dem wollen US-Senatoren und Abgeordnete Einhalt gebieten, und der Druck auf die kolumbianischen Regierung zeigt durchaus Wirkung. Zum einen geht die Zahl der Mordopfer langsam zurück, zum anderen hat die Regierung begonnen eine eigene Statistik über die Opfer von Gewalt gegen organisierte Arbeiter zu führen. »Das ist zwar nicht sonderlich produktiv, aber es zeigt, dass die Regierung das Problem nicht auf die leichte Schulter nimmt«, erklärt José Luciano Sanin Vasquez, der Generaldirektor der ENS. Zu wichtig ist der gute Kontakt zum wichtigsten Handelspartner, den USA.

Doch längst nicht alle sind für die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit leicht modifizierten Bedingungen. So demonstrierten Mitte März, während das Freihandelsabkommen im Senat diskutiert wurde, rund 7000 Ureinwohner gegen den Handelsvertrag, weil er ihnen die Lebensgrundlage in der Landwirtschaft vernichtet. Eine Kritik, die auch der größte kolumbianische Gewerkschaftsdachverband CUT teilt. Ob das Abkommen in diesem Bereich noch einmal nachverhandelt wird, ist allerdings fraglich, obgleich Expräsident William Clinton unlängst auf erhebliche Strickfehler hinwies – unter anderem im Agrarbereich.

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