Sprachlosigkeit in den Niederlanden

Amokschütze feuerte mehr als 100 mal im Enkaufszentrum um sich – noch ist kein Motiv für die Bluttat gefunden

  • Lesedauer: 3 Min.
Sieben Tote, 17 Verletzte – und noch ist kein Motiv erkennbar: Der Amoklauf in einem holländischen Einkaufszentrum hält die Ermittler in Atem. Sie sollen nun auch klären, warum der selbstmordgefährdete Schütze Waffenscheine besaß.

Der Amokschütze in den Niederlanden hat bei seiner Bluttat mehr als 100 Schüsse aus drei Waffen abgefeuert. Für alle drei habe der 24-Jährige Waffenscheine besessen, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit. Allerdings wurde eine der Waffen wahrscheinlich von ihm selbst so umgebaut, dass sie wie eine automatische Pistole einsetzbar war. Die Untersuchungen dauerten aber noch an, sagte ein Behördensprecher. Der Mann hatte am Wochenende sechs Kunden eines Einkaufszentrums und sich selbst erschossen.

Bislang waren die Ermittler von einer Maschinenpistole als Mordwaffe ausgegangen. Sich selbst habe der Amokläufer Tristan van der Vlis mit einem Kopfschuss aus einer Pistole getötet, heißt es. Von den insgesamt 17 Verletzten wurden am Montag noch neun in Krankenhäusern behandelt. Einer von ihnen befinde sich immer noch in einem kritischen Zustand, teilte Bas Eenhoorn mit, Bürgermeister der von dem Amoklauf betroffenen Stadt Alphen aan den Rijn.

Das Motiv des Todesschützen ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft immer noch weitgehend unklar. Ein Nachbar berichtete aber der Zeitung »De Telegraaf«, der Amokläufer, der in Alphen bei seinem Vater wohnte, habe »Wut auf die Gesellschaft« geäußert. Er habe gedroht, er werde »jeden über den Haufen schießen«. Andere Bekannte beschrieben den Täter, der vor einigen Wochen seine Zeitarbeitsstelle im Verteilzentrum einer Supermarktkette aufgegeben habe, als »ruhig und völlig unauffällig«.

In einem Abschiedsbrief an seine Mutter hatte er auf Textdateien auf seinem Computer verwiesen. Sie stellten sich jedoch laut Staatsanwaltschaft als stark spirituell geprägte Ausführungen heraus, die keinen echten Hinweis auf Tatmotive lieferten. Um zu klären, aus welchen Beweggründen van der Vlis in dem Einkaufszentrum wahllos um sich schoss, werde weiter in alle Richtungen ermittelt.

Staatsanwältin Kitty Nooy hatte am Sonntagabend bekanntgegeben, dass der junge Mann 2006 zehn Tage lang wegen Selbstmordgefahr in einer geschlossenen Anstalt psychiatrisch behandelt wurde. Die Ermittlungen erstrecken sich deshalb nun auch auf die Umstände, unter denen die Waffenscheine für van der Vlis ausgestellt wurden. Dabei müsse unbedingt geprüft werden, ob nicht Regeln verletzt wurden, forderte die Königliche Niederländische Schützenvereinigung KNSA, zu deren Mitgliedern auch der Amokläufer gehörte.

Offenbar seien Signale wie die psychiatrische Behandlung des Mannes sowie ein aktenkundiger Vorfall, bei dem er sich als 16-jähriger Jugendlicher mit einer illegalen Luftdruckpistole selbst angeschossen hatte, übersehen worden, sagte der KNSA-Direktor Sander Duisterhof. Zum KNSA gehören mehr als 42 000 Mitglieder in rund 800 örtlichen Schützenvereinen. Waffenscheine könne nur bekommen, wer mindestens ein Jahr lang Mitglied ist. Die Lizenzen müssten zudem jährlich erneuert werden, wofür die Polizei den Inhaber erneut zu überprüfen habe. dpa

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