Solidarität in Generation und Schicht

20 Jahre »Frauenperspektiven« in Karlsruhe

  • Ulrike Gramann
  • Lesedauer: 2 Min.

Feministinnen aller Generationen trafen vom 15. bis zum 17. April im badischen Karlsruhe zusammen, um zu diskutieren, welche Perspektive Frauenfestivals haben. Das seit 20 Jahren in zweijährigem Turnus stattfindende Karlsruher Festival »Frauenperspektiven« führt bislang mit großem Erfolg internationale, auch außereuropäische Künstlerinnen und Politikerinnen zusammen. Seine Besonderheit: Es wird von der Stadt Karlsruhe, Kulturinstitutionen und Fraueninitiativen gemeinsam vorbereitet. Das Jubiläum nun ist Anlass zur Neuorientierung: Wie können Frauenfestivals auf den rasanten gesellschaftlichen Wandel reagieren? Wie werden sie attraktiver für junge Frauen? Ein Signal setzte es, dass die Veranstaltung in diesem Jahr von dem jungen, popfeministischen »Missy Magazine« präsentiert wurde.

Im Mittelpunkt standen Politik, Recht, Wissenschaft, Kultur und der Dialog zwischen den Generationen. Die Juristin und Juniorprofessorin Ulrike Lembke konstatierte zu Beginn, dass Frauen und Männer vom Recht heute weitestgehend gleich betrachtet würden. Nicht diskriminiert zu werden, bedeute aber längst noch keine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Bascha Mika, vormals Chefredakteurin der taz, die mit ihrem Buch »Die Feigheit der Frauen« kürzlich Aufsehen erregte, äußerte einmal mehr, der Lebensentwurf vieler Frauen sei zwar groß, doch dann fielen sie zurück und verzichteten auf den Beruf als »Sinnstiftung und wirtschaftliche Selbstständigkeit«. Das fand nur ansatzweise Zustimmung. So erklärte Lembke, das Berufsleben müsse sich massiv ändern, damit es für Frauen mit Kindern attraktiv werde. Und es gebe sehr wohl ein Proletariat, in dem Frauen nicht ohne Weiteres sagen könnten: »Ich ziehe meinen Traum durch.« Jüngere und ältere Feministinnen waren sich einig, dass die »Individualisierungsideologie«, jede sei ihres Glückes Schmied, Frauen unter starken Druck setzt. »Missy«-Mitgründerin Sonja Eismann forderte deshalb, der Individualisierung der Verantwortung kollektiv entgegenzutreten. Frauen verschiedener Generationen und sozialer Schichten müssten sich solidarisieren.

Die Filmemacherin Helke Sander, die 1968 einen Aktionsrat zur Befreiung der Frauen gründete, äußerte sich erfreut, dass auch jüngere Feministinnen der »Kinderfrage« so viel Raum gäben. Kinder brauchten Stabilität, die Arbeitswelt jedoch fordere Mobilität. Es greife zu kurz, nur auf die Männer zu verweisen, die mehr »helfen« sollten. Ihr historisch genauer Bericht über die Neue Frauenbewegung mündete in eine Diskussion über Nachhaltigkeit. Frauen der heutigen »dritten Welle« der Frauenbewegung sprachen über den Mangel, zu wenig von der Vorarbeit früherer Feministinnen zu wissen. Sie wünschen sich Festivals deshalb als Orte des Erfahrungsaustausches und der Vernetzung. Inhalte müssten dauerhaft dokumentiert werden. Das Festival, so das Fazit des von Frauen und auch Männern gut besuchten Kongresses, soll fortgeführt werden und sich für neue, diskursive Formen öffnen, die zum Mitmachen einladen. Logo: Frauenperspektiven

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