Gemeinsame und konträre Erfahrungen

Sozialdemokratische und kommunistische Opfer von Reaktion und Faschismus

  • Andreas Diers
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Vereinigungshandschlag zwischen dem Kommunisten Wilhelm Pieck und dem Sozialdemokraten Otto Grotewohl vor 65 Jahren in Berlin
Der Vereinigungshandschlag zwischen dem Kommunisten Wilhelm Pieck und dem Sozialdemokraten Otto Grotewohl vor 65 Jahren in Berlin

Die erste Ausgabe des Jahrganges 2011 des »JahrBuches für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung« bietet wieder eine Vielzahl an interessanten Beiträgen und Dokumentationen. Ein Schwerpunkt des Heftes sind Biografien kommunistischer und sozialdemokratischer Protagonisten und Protagonistinnen. Man könnte die Ausgabe als einen Beitrag zur Erinnerung an die Vereinigung von KPD und SPD in der sowjetischen Besatzungszone vor 65 Jahren wie zugleich auch als Denkanregung für die neue, vereinigte und doch zerstrittene LINKE ansehen.

Ronald Friedmann erinnert zunächst an das aufopferungsvolle, engagierte und ideenreiche Wirken von Arthur Ewert (1890-1959) und dessen langjähriger Lebensgefährtin Elise Saborowski (1886-1939) in der sozialistischen und kommunistischen Bewegung Kanadas zwischen 1914 und Anfang der 20er Jahre. Er stützt sich auf akribische Quellenstudien. Knapp, aber lebendig schildert er die antikommunistischen panikartigen Reaktionen sowie die antikommunistischen Maßnahmen der kanadischen Regierung nach dem Sieg der Oktoberrevolution in Russland. Friedmann offeriert hier einen Auszug aus seiner umfangreichen Ewert-Biografie, die noch im Laufe dieses Jahres erscheinen soll.

Diese Publikation ist insofern als besonders verdienstvoll zu werten, als dass das tragische Schicksal von Arthur Ewert und Elise Saborowski heute weitgehend vergessen ist – obwohl beide in der KPD eine bedeutende Rolle gespielt haben. Ewerts Einfluss war in der Partei zeitweise sogar größer als der von Ernst Thälmann. Er wurde jedoch im innerparteilichen Machtkampf 1928/29 als »Versöhnler« abgestempelt und ausgegrenzt. Ewert und Saborowski gingen im Auftrag der Komintern Mitte der 30er Jahre nach Brasilien, wo sie dann verhaftet wurden. Ewert wurde so grausam gefoltert, dass er den Verstand verlor. Elise Saborowski ist 1936 zusammen mit Olga Benario-Prestes an das faschistische »Dritte Reich« ausgeliefert worden, wo sie 1939 im Konzentrationslager an den unmenschlichen Haftbedingungen verstarb.

Nicht minder beeindruckend und erschütternd sind die biografischen Skizzen von Siegfried Grundmann über den von den Nazis ermordeten Widerstandskämpfer Felix Bobek, von Holger Czitrich-Stahl über den ehemaligen sozialdemokratischen Rechtsexperten im Reichstag Arthur Stadthagen sowie von Horst Klein über den von den Faschisten in den Tod getriebenen Sozialdemokraten Richard Hausschildt.

Des Weiteren ist das Heft unterschiedlichen Strategien in der internationalen Arbeiterbewegung gewidmet. Gigi Roggero diskutiert Begriffe und Konzepte wie »Operaismus«, Spontaneität, Klassenautonomie sowie die Räteidee in der italienischen Arbeiterbewegung der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Horst Dietzel wiederum analysiert sehr kritisch die Entwicklungen der Programmatiken von der PDS bis zur Partei DIE LINKE. Beide Beiträge werden sicherlich mehr oder weniger heftigen Widerspruch hervorrufen. Vor allem Dietzels Studie dürfte sich angesichts der aktuellen Debatten und Dilemma in der Linkspartei besonderer Aufmerksamkeit erfreuen. An marxistischer Kulturtheorie Interessierte werden die Abhandlung von Wilma Ruth Albrecht über die »Sickingen-Debatte« zwischen Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle mit großem Gewinn lesen.

JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung 2011/I. 10 €; Jahresabo 25 €. Zu beziehen über die Redaktion, Weydingerstr. 14-16, 10178 Berlin oder redaktion@jahrbuch-arbeiterbewegung.de

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