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Stunde der Potentaten

Berlusconi und Sarkozy fordern Reform des Schengen-Abkommens

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Italien und Frankreich werden gemeinsam eine Änderung des Schengen-Vertrages über die Reisefreiheit innerhalb der EU verlangen. Das verkündeten Ministerpräsident Berlusconi und Staatspräsident Sarkozy bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Rom. Damit erklärten sie die heftigen Streitigkeiten der letzten Wochen über die tunesischen Migranten für beendet.

Italien und Frankreich haben sich lieb, und zwischen den beiden Ländern, die einander als Brüder betrachten – so Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy – gibt es keine Meinungsverschiedenheiten. Weder zu den Migranten noch zu Libyen und auch zu sonst keinem Punkt; man ist sich in allem einig.

Was das Problem der etwa 25 000 Tunesier angeht, die von Italien eine Visum auf Zeit erhalten hatten, mit dem sie – so zumindest die Regierung in Rom – auch ohne Probleme nach Frankreich reisen konnten, hielt man den Ball möglichst flach. Die beiden Politiker verloren kein Wort darüber, dass Frankreich entgegen dem Schengen-Abkommen für kurze Zeit sogar die Grenze zu Italien geschlossen hatte, um die Einreise dieser Migranten zu verhindern.

Es wurde auch nichts darüber gesagt, ob die Personen, die Frankreich bereits erreicht haben, sich dort nun legal aufhalten oder jederzeit nach Italien zurück geschickt werden können. Man beschloss jetzt, das Problem auf eine höhere Instanz, also auf Europa zu übertragen und kündigte einen gemeinsamen Brief an die EU-Spitze an. Darin fordert man auf der einen Seite mehr Solidarität mit den südeuropäischen Ländern, die den größten Flüchtlingsstrom aus Nordafrika zu bewältigen haben; und auf der anderen Seite eine »Revision« der absoluten Reisefreiheit innerhalb der EU, wobei die einzelnen Ländern künftig einen größeren Handlungsspielraum haben sollten, sowohl in Bezug auf die Migrationspolitik als auch auf eine kurzfristige Schließung der Grenzen. Gemeinsam will man diese Forderung auf dem kommenden EU-Gipfel unterbreiten.

Auch der zweite Streitpunkt zwischen Frankreich und Italien – nämlich die Intervention in Libyen – wurde geklärt. Italien hat in den letzten Stunden beschlossen, sich direkt an den Luftangriffen der NATO auf das nordafrikanische Land zu beteiligen, so wie es Frankreich gefordert hatte. Für Rom war dies sicherlich eine beachtliche Kehrtwendung in der eigenen Libyen-Politik, hatte man doch noch vor wenigen Tagten betont, dass die Kolonialgeschichte Italiens in Libyen sowie die verschiedenen Freundschaftsabkommen, die Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi unterzeichnet haben, ein besonders umsichtiges Vorgehen erforderten und Luftangriffe ausschlössen. Tatsächlich ist auch heute ein Teil der italienischen Regierung mit der Entscheidung nicht einverstanden, auch wenn Berlusconi mehrmals betont hat, dass die Angriffe einzig auf militärische Ziele gerichtet sein werden und man sich innerhalb der Resolution des UN-Sicherheitsrates bewege. Zivile Opfer könne man dabei ausschließen.

Sarkozy aber zeigte sich über die Entscheidung der Italiener hoch erfreut und erklärte, dass man sich gemeinsam auch mit der derzeitigen Lage in Syrien befasst habe; sein Land werde jetzt möglicherweise eine UNO-Resolution zur Lage dort vorbereiten. Auf dieser Grundlage könne man dann über die nächsten Schritte nachdenken.

Verschiedene Beobachter sehen in der »neuen Einigkeit« zwischen Berlusconi und Sarkozy einen klaren Sieg für Frankreich. Paris habe sich in praktisch allen strittigen Punkten durchgesetzt. Ein kleines Trostpflaster mag sein, dass Sarkozy erklärte, er werde die Kandidatur des Italieners Mario Draghi für den Vorsitz der Europäischen Zentralbank unterstützen.

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