Stumpfe Wunderwaffe (2)

  • Reinhard Renneberg, Hongkong
  • Lesedauer: 3 Min.
Vignette: Chow Ming
Vignette: Chow Ming

Antibiotika-Resistenzen und ihre Ursachen waren unser Thema in Teil 1. Im Cook County Hospital (Chicago) fand man unter 1400 Patienten 188, die mit resistenten bakteriellen Keimen infiziert waren, 12 davon starben. Vor allem Kinder, Alte und durch starke Medikamentgaben geschwächte Patienten (z. B. bei Krebs und Aids) sind bedroht. Die US-amerikanische »Alliance for the Prudent Use of Antibiotics« berechnete die Folgekosten der Antibiotika-Resistenz allein in den USA jährlich auf 17 bis 26 Milliarden Dollar.

Wie kann ein Arzt nun einfacher entscheiden: Bakterien oder Viren, Antibiotika ja oder nein? Es gibt heute bereits den sogenannten CRP-Test. CRP steht für C-Reaktives Protein; ein im Blut vorkommendes Eiweiß, das heute vor allem zur unterstützenden Diagnostik des Herzinfarktrisikos benutzt wird.

CRP zeigt allgemein Entzündungen an. Bei durch Bakterien verursachten Infektionskrankheiten steigt der Wert sehr stark, sogar stärker als beim Infarktrisiko. Der Test ähnelt einem Schwangerschaftstest und braucht nur einen Blutstropfen aus dem Finger und fünf Minuten. In unserer Forschungsgruppe in Hongkong haben wir solch einen CRP-Test produktionsreif für den chinesischen Markt entwickelt.

Läßt ein kleiner CRP-Wert auf Viren schließen? Im Krankheitsfall nur indirekt im Umkehrschluss: »Keine Bakterien gefunden«. Besser wäre aber ein zweites Verfahren, das genau bei Viren Alarm schlägt.

Die Hilfe kommt aus Österreich (dem Alpenland ohne Atomkraft!), und das Zauberwort heißt Neopterin. Neopterin gehört zur Stoffklasse der Pteridine, das sind labile chemische Substanzen von einfacher Struktur. 1979 entdeckte Helmut Wachter, damals Professor in Innsbruck, Neopterin als Diagnostikum. Diese »österreichische Innovation« ist ein »Marker« – eine biologische Substanz, die nur von Zellen des menschlichen Abwehrsystems in größeren Mengen freigesetzt wird und dessen Aktivität zuverlässig anzeigt.

Bei 92 Prozent aller unbehandelten Aids-Patienten und 83 Prozent der Aids-verdächtigen Kranken mit Lymphknotenschwellung wurde eine deutlich erhöhte Neopterin-Konzentration festgestellt. Schon bei geringen Krankheitszeichen signalisierte Neopterin die nahende Gefahr des Ausbruchs von Aids.

Neopterin wird von den großen Fresszellen des Abwehrsystems, gebildet. Diese mobilen Zellen schwimmen im Blut und verschlingen Keime und körperfremdes Eiweiß. Angeregt werden sie dazu von den kleinsten weißen Blutkörperchen (den T-Lymphozyten) über den Botenstoff Gamma-Interferon. Auch Neopterin ist so ein Botenstoff.

Wachters Neopterin-Test wird seit mehr als 15 Jahren von den Blutspendezentralen in Österreich eingesetzt. Blut mit erhöhtem Neopterin wird nicht verwendet. Österreichisches Spenderblut ist das wohl sicherste der Welt! Der Preis: Aus Sicherheitgründen wird ca. jede 60. Blutprobe vernichtet. Als ich das deutschen Blutspende-Spezialisten erzähle, zeigen die blankes Entsetzen: »So etwas können wir uns bei dem niedrigen Blutspende-Aufkommen nicht leisten ...« Armes Deutschland! Tatsächlich ist Österreich mit der Einführung des Neopterin-Tests im Blutspendewesen ein ähnlicher Vorreiter wie 1978 beim Nein zu AKW.

Dietmar Fuchs von der Uni Innsbruck, ein Schüler Wachters, lässt sich durch die Blockade in Deutschland nicht beirren. Mit ihm entwickeln wir gemeinsam einen Virus-Bakterien-Schnelltest. Er wird auch Chinas Blutspenden, jetzt oft noch problematisch, sicherer machen.

Schluss folgt

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