»Schwiegerkinder« sind nicht betroffen

Leserfrage zur Unterhaltspflicht durch Verwandtschaft

  • Lesedauer: 3 Min.

Im ND-Ratgeber wurde vor einiger Zeit darüber berichtet, dass Kinder grundsätzlich zum Unterhalt gegenüber den Eltern verpflichtet sind. Meine Frage ist nun: Können auch »Schwiegerkinder« gegebenenfalls zum Unterhalt verpflichtet werden? In den Formularen des Sozialamtes werden nämlich auch Auskünfte über die finanzielle Situation der »Schwiegerkinder« verlangt.
Siegfried P., Gerwisch

Der Unterhaltsanspruch in Familiensachen umfasst nach dem seit 1. September 2009 geltenden FamFG gemäß § 231 Abs. 1 FamFG weiterhin alle Unterhaltsansprüche aus dem Bereich des Ehegatten- und Verwandtenunterhaltes sowie Ansprüche nicht verheirateter Eltern. Die durch Verwandtschaft begründete Unterhaltspflicht ist geregelt in § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG. Das heißt, hier ist der Unterhalt ehelicher und nichtehelicher Kinder gegen die Eltern, der Eltern gegen Kinder, der Kinder gegen Großeltern und sonstige Ersatzansprüche nach § 1607 BGB geregelt.

Bei der Problematik einer Unterhaltsverpflichtung des Kindes oder Schwiegerkindes gegenüber den Eltern sind die Bestimmungen des SGB zu berücksichtigen. Erhält der Unterhaltsbedürftige Sozialhilfe, geht nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII der Unterhaltsanspruch in Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Die Höhe des übergegangenen Unterhaltsanspruches ist begrenzt durch die Höhe der gewährten Sozialleistung oder des Unterhalts, je nachdem also, was niedriger ist.

In der Praxis können sich beim Ansatz von fiktivem Einkommen bei Pflichtigen Probleme ergeben, ferner bei mehreren Unterhaltsgläubigern, weil es im Sozialrecht weder fiktives Einkommen noch Rangverhältnisse gibt. Der sogenannte Schuldnerschutz geht deshalb weiter als im Unterhaltsrecht, da der Unterhaltspflichtige sozialrechtlich den gleichen Schutz hinsichtlich seines Einkommens und Vermögens genießt wie der Hilfeempfänger.

Es ist aus diesem Grunde eine sozialrechtliche Vergleichsberechnung durchzuführen, ob der Unterhaltsanspruch in vollem Umfang, nur zum Teil oder überhaupt nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen ist.

Beim Verwandtenunterhalt ist zu beachten, dass die Sicherung des eigenen angemessenen Unterhalts gemäß § 1603 Abs. 1 BGB im Vordergrund steht. Es ist insbesondere zu beachten, dass die Unterhaltsverpflichtung nicht zu einer spürbaren Absenkung des Lebensstandards führen darf, so dass es im Ergebnis darauf ankommt, welcher Lebensstandard dem Pflichtigen im Verhältnis zum Bedürftigen zuzubilligen ist.

Ein verheirateter Unterhaltspflichtiger muss zum Beispiel bei gemeinsamer steuerlicher Veranlagung mit dem Ehepartner darauf achten, dass seine Steuerbelastung fiktiv ermittelt wird. Steuerfreibeträge, die auf den Ehegatten fallen, sind diesem bei der Ermittlung der fiktiven Steuer zu belassen.

Nach dem Bundesgerichtshof ist in diesen Fällen zunächst die Steuerlast des Pflichtigen im Innenverhältnis unter Heranziehung des § 270 AO auf der Grundlage einer getrennten Veranlagung fiktiv zu ermitteln. Im Verhältnis der dabei festgestellten fiktiven Steuerlast für jeden Ehegatten ist so dann die tatsächlich angefallene Steuer aufzuteilen.

An diesem konkreten Beispiel ist bereits festzustellen, dass »Schwiegerkinder« nicht gegenüber den Schwiegereltern unterhaltsverpflichtet sind. Dies resultiert daraus, dass ein Verwandtschaftsverhältnis nicht besteht.

UTE MALINOWSKI, Rechtsanwältin, Berlin

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