Keiner will schwarz-rotes Vergabegesetz

Streit in Schwerin: Kommunen und Wirtschaft fühlen sich übergangen / Gewerkschaften und LINKE fordern mehr

  • Lesedauer: 3 Min.
Der von der rot-schwarzen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegte Entwurf für ein Vergabegesetz hat kaum Freunde. »Zu wenig« sagen die einen, »überflüssig« die anderen.

Schwerin (dpa/ND). In einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des mecklenburg-vorpommerschen Landtags haben Gewerkschaftsvertreter am Mittwoch das von der rot-schwarzen Landesregierung geplante Vergabegesetz scharf kritisiert. Öffentliche Aufträge sollen nach ihrer Ansicht nur an Unternehmen gehen dürfen, die ihren Beschäftigten wenigstens einen Mindestlohn zahlen. »Wir empfehlen, von dem jetzigen Gesetzentwurf Abstand zu nehmen, wenn es nicht noch gelingt, den vergabespezifischen Mindestlohn von 8,50 Euro in das Gesetz aufzunehmen«, sagte der stellvertretende Vorsitzende des DGB Nord, Ingo Schlüter. Wirtschafts- und Kommunalverbände halten das Gesetz dagegen für überflüssig.

Rot-Schwarz will nach langem Streit die Tariftreue von Unternehmen im öffentlichen Nahverkehr vorschreiben. Das Gesetz liegt besonders der SPD am Herzen. Sie will damit verhindern, dass Firmen mit Dumpinglöhnen öffentliche Aufträge bekommen. 2008 hatte der EU-Gerichtshof in Luxemburg allerdings das niedersächsische Vergabegesetz gekippt, weil es die Binnenmarktfreiheit verletzte. Die Schweriner Koalition ist der Ansicht, dass der öffentliche Nahverkehr als Teil der Daseinsvorsorge nicht unter die Binnenmarktregelungen fällt. Die Linksfraktion hat einen eigenen Gesetzentwurf mit sehr viel weitergehenden Vorschriften eingebracht.

Der Landesvorsitzende des Verbands der Omnibusunternehmen, Dieter Post, erklärte, dass die Busfahrer in Mecklenburg-Vorpommern bereits einen Tarifstundenlohn zwischen 9,91 und 11,13 Euro bekämen. Dirk Schlömer von der neuen Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG bestätigte, dass die Löhne in Mecklenburg-Vorpommern bereits über der Mindestlohnforderung des DGB liegen. Der Wirtschaftsdachverband VUMV beklagte zudem, dass er nicht zu der Anhörung eingeladen worden sei. Auch die Wirtschaftskammern hätten wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Gesetzes hinzugezogen werden müssen.

Der Stellvertreter des Landrats Parchim, Günter Matschoß, lehnte die Initiative der SPD/CDU-Koalition im Namen der Kommunalverbände ab. »Aus kommunaler Sicht wird dieses Gesetz nicht gebraucht«, sagte er. Es gebe bereits umfangreiche Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Das neue Gesetz belaste die Kommunen mit Kontrollaufgaben, für die sie weder das Personal noch das Geld hätten. Matschoß ließ erkennen, dass auch die Kommunalverbände – der Städte- und Gemeindetag und der Landkreistag – ursprünglich nicht angehört werden sollten. Er schloss sein Statement mit den Worten: »Abschließend möchte ich mich noch mal bedanken, dass wir auf unser eigenes Drängen hier noch hinzugeladen worden sind.«

FDP-Fraktionschef Michael Roolf warf der CDU vor, sie mache die »wettbewerbsfeindliche Politik der SPD« mit. Kleinunternehmen könnten wegen unnötiger, bürokratischer Hürden künftig kaum noch zum Zuge kommen. Auch Roolf kritisierte, dass Vertreter der Wirtschaft und der öffentlichen Hand, die das Vergabegesetz umsetzen sollen, kaum zu Wort gekommen seien. Linksfraktionschef Helmut Holter verteidigte die Gesetzesinitiative seiner Fraktion. Diese knüpfe die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht nur an einen Mindestlohn von zehn Euro, sondern auch an die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards.

Die LINKE bekam dafür Unterstützung von Schlüter. Der DGB-Nord-Vize fügte aber noch ein weiteres Kriterium hinzu: »Betriebe, die ein ausgesprochen rechtsextremistisches Profil haben«, sollten per Gesetz von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Der SPD-Wirtschaftspolitiker und Ausschussvorsitzende Jochen Schulte räumte nach der Anhörung ein, der Gesetzentwurf der Koalition könne noch verbessert werden. Als Beispiel nannte er die Einführung von Zertifikaten, die den Unternehmen bereits vor einem Vergabeverfahren die Einhaltung bestimmter Standards bescheinigten, und verbesserte Kontrollmechanismen.

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