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Die Sprachlosigkeit überwinden

Senioren werden zu wenig in den Kampf gegen Rechtsextremismus eingebunden

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 2 Min.
Unter Älteren sind rechtsextreme Einstellungen durchaus verbreitet. Dennoch wurden sie in der Präventionsarbeit bislang kaum berücksichtigt. Eine Studie der Amadeu Antonio Stiftung zeigt, was sich ändern muss.

Während Jugendliche in der Schule frühzeitig mit dem Nationalsozialismus konfrontiert werden und sich Programme zur Bekämpfung von Rechtsextremismus besonders an sie richten, wird Senioren in diesem Bereich nur wenig Beachtung geschenkt. Doch wie Studien ergaben, weisen Deutsche im Rentenalter vermehrt rechte Einstellungen wie Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus auf. Warum sich ältere Menschen weniger gegen Nazis engagieren als jüngere und wie zivilgesellschaftliche Organisationen sie ermutigen können, wurde in einer Studie von Peter-Georg Albrecht für die Amadeu Antonio Stiftung untersucht, die gestern in Berlin vorgestellt wurde.

Darin befragte der Alterns- und Politikwissenschaftler der Hochschule Magdeburg-Stendal 28 Senioren in der Region, die in der Zeit des Nationalsozialismus geboren wurden. In den Gesprächen habe sich herausgestellt, dass Rechtsextremismus ein Tabuthema sei. Vielfach wüssten die Interviewten nicht, wie sie mit dem Problem umgehen sollen. Ebenso neigten sie dazu, die Verantwortung, sich gegen Nazis zu engagieren, an andere zu verschieben.

Diese Sprachlosigkeit dürfe nicht hingenommen werden. »Wenn wir nicht wollen, dass ältere Wählerinnen und Wähler rechtsextreme Parteien wählen, müssen wir mit ihnen über diese Ideologie sprechen«, warnte Albrecht. Er fürchte sich vor den Wahlergebnissen der kommenden Jahre, wenn sich die demokratischen Parteien in Ostdeutschland nicht auf die alternde Gesellschaft einstellen. Denn es seien vor allem Ältere, die zur Wahl gehen und diese künftig für rechtsextreme Parteien entscheiden könnten.

Diese Gefahr sieht auch Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung. »Die Rechtsextremisten sind da viel weiter«. Mit Liederabenden in Altersheimen spricht die NPD Senioren gezielt an. Dabei werde die NS-Tätergeneration mit Aussagen wie »Opa war in Ordnung« heroisiert.

Rechtsextremismusprävention, so waren sich die Experten einig, dürfe sich nicht länger nur auf Jugendliche konzentrieren. Bei dem Projekt »Generation 50plus aktiv im Netz gegen Nazis« habe die Amadeu Antonio Stiftung bereits festgestellt, dass sich auch Senioren engagieren wollen. »Sie sind aber auf der Suche nach einem geeigneten Weg«, so Reinfrank.

Auch Resa Memarnia von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) sieht eine Bereitschaft unter Älteren, sich gegen Nazis zu engagieren. »Aber wir müssen sie auch einbinden und zur Zielgruppe machen«, so Memarnia, dessen Verband die Studie ebenfalls unterstützt.

Darauf, dass sich viele Senioren bereits gegen Nazis engagieren, verwies Albrecht. Dies sei etwa bei Mahnwachen und Menschenketten gegen Nazi-Aufmärsche zu beobachten. Jenseits dieser Aktionen müsse in den Familien, der Nachbarschaft und in Vereinen das Gespräch gesucht werden.

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