Kernthema Wirtschaftspolitik

Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg entwickeln elf Positionen zur Abgeordnetenhauswahl

  • Sonja Vogel
  • Lesedauer: 3 Min.
Besser dran mit privatem Kapital? Das hoch verschuldete Uniklinikum Charité ND-
Besser dran mit privatem Kapital? Das hoch verschuldete Uniklinikum Charité ND-

»Diese Wahl unterscheidet sich von den vorherigen«, frohlockte gestern der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck. Ein Absinken der Arbeitslosenquote auf knapp 14 Prozent und der Anstieg der Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter seit 2005 um 114 000 seien ein gutes Zeichen für Berlin. Wegen der günstigen ökonomischen Rahmenbedingungen schauen die Unternehmensverbände erwartungsfroh auf die Abgeordnetenhauswahl. Noch 111 Tage sind es bis dahin – dies nahmen die UVB zum Anlass, elf Argumente für die Wirtschaftspolitik der nächsten fünf Jahre zusammenzutragen.

Glaubt man Hauptgeschäftsführer Amsinck, ist dies aber kaum mehr nötig. Zwar blieben die Parteien in ihren Programmen allgemein. Die meisten Positionen der Unternehmensverbände hätten sie aber dennoch übernommen. »Wirtschaftspolitische Themen stehen wieder im Mittelpunkt«, sagte Amsinck. Spielraum, um die Wirtschaftspolitik zu gestalten, gibt es allerdings kaum. Die Reduzierung der Landesschulden in Höhe von 63,3 Milliarden Euro bestimme die Agenda. Rund 1,4 Milliarden Euro werden noch jährlich für die Kreditaufnahme aufgewendet. »Die Nettoneuverschuldung wird in der nächsten Legislaturperiode auf Null zu senken sein«, sagte Amsinck. Außerordentlich günstig wirkten sich hierfür die anhaltende Konjunktur und die niedrigen Zinsen aus. »Die Altschuldenlast kann Berlin aber nicht alleine tragen«, stellte der Hauptgeschäftsführer klar. Er schlug ein Modell vor, nach dem der Bund für jeden von Berlin getilgten Prozentpunkt einen halben übernehme.

In dieser »Schuldenfalle« sehen die UVB aber eine Chance. »Kein Senat wird an unseren Kernthemen vorbei kommen«, sagte Christian Amsinck. Dieser Handlungsspielraum werde die Politik in den nächsten 10 bis 15 Jahren determinieren. Rekommunalisierungen und Projekte wie der Öffentlich geförderte Beschäftigungssektor (ÖBS) seien damit tabu. Infrastrukturvorhaben wie der Großflughafen BBI oder der Ausbau der Bundesautobahn A 100 hingegen böten langfristige Perspektiven.

Ähnlich sieht es nach Ansicht der Unternehmensverbände im Bereich der Wachstumsmärkte Energie, Gesundheit und Mobilität aus. Hier müsse investiert werden. »In diesen Bereichen ist Berlin schon gut aufgestellt«, sagte der Hauptgeschäftsführer. Die Großkliniken Charité und Vivantes spielten dabei eine große Rolle. Schon heute erwirtschaften Gesundheitsunternehmen 10 Prozent der gesamten Wertschöpfung der Region. Sorgenkind aber bleibt das hoch verschuldete Uniklinikum: Hier sehen die UVB einen Investitionsbedarf von rund 1 Milliarde Euro. Wenn Berlin selbst nicht in der Lage sei, diese Kosten zu tragen, müsse es die Rahmenbedingungen ändern. »Der Charité muss erlaubt werden, privates Kapital aufzunehmen«, forderte Christian Amsinck. Dies sei auch in der Trägerschaft des Landes möglich.

Ein positives Zeichen für die Berliner Wirtschaft sei das kontinuierliche Wachstum. »Das hat zu mehr Beschäftigung geführt«, betonte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Klaus-Dieter Teufel. Wegen des demografischen Wandels fehlten auch zukünftig Hochqualifizierte und technisch geschulte Facharbeiter. Mit der Vereinfachung der Zuwanderung von ausländischen Facharbeitern und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf müsse man darum dem Fachkräftemangel langfristig entgegenwirken. Ein besonderes Augenmerk wollen die UVB auf die Vermittlung von Arbeitslosen legen. Alleine von 198 000 Hartz-IV-Empfängern könnten demnach 70 000 »direkt« in eine reguläre Beschäftigung vermittelt werden. Mit offiziell 11 145 offenen Stellen und einer Arbeitslosenquote, die weit über dem Bundesschnitt liegt, ist allerdings fraglich, wo diese Arbeitsplätze zu finden sein werden.

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