LINKE gegen Atomausstieg mit Rückfahrkarte

Debatte über Energiegesetze im Bundestag / Kartellamt: Stromkonzerne werden profitieren

  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Herkulesaufgabe nennt Kanzlerin Merkel den Atomausstieg bis 2022. Die Opposition empört sich im Bundestag, die CDU-Chefin schmücke sich mit fremden Federn.

Berlin (ND-Drescher/Agenturen). Gregor Gysi, Linksfraktionschef im Bundestag, nimmt der schwarz-gelben Koalition und Bundeskanzlerin Angela Merkel die abrupte Wandlung zu Atomkraftgegnern immer noch nicht ab. Um jedes Schlupfloch für eine Rückkehr zum Atomstrom zu verschließen, forderte Gysi deshalb am Donnerstag im Bundestag erneut, den Atomausstieg im Grundgesetz zu verankern. Die ablehnende Haltung von Schwarz-Gelb dazu interpretiert er als Hintertür, die man sich offen halte. »Die Regierungskoalition will einen Atomausstieg mit Rückfahrkarte, und das ist nicht mehr hinnehmbar.«

Tatsächlich erscheint die 180-Grad-Kehrtwende, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihrer Partei und dem Koalitionspartner FDP nach der Atomkatastrophe in Fukushima verordnet hatte, angesichts der nur vor wenigen Monaten durchgedrückten Laufzeitverlängerung immer noch etwas surreal. Zumal die Kanzlerin bei der ersten Beratung der schwarz-gelben Gesetzvorhaben im Bundestag in ihrer Rede den Eindruck vermittelte, Erfinderin des Atomausstiegs und des Einstiegs in die erneuerbaren Energien zu sein. »Wir schaffen die Voraussetzung für die Energieversorgung von morgen. Das hat es bisher so nicht gegeben«, so Merkel.

Entsprechend empört reagierte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Es könne nicht sein, dass sich Merkel als die Erfinderin der Energiewende hinstelle, so Steinmeier. »Das was Sie hier dem Bundestag vorlegen, das ist Ihr Irrtumsbereinigungsgesetz.« Er signalisierte jedoch die Bereitschaft der SPD, die geplante Änderung des Atomgesetzes mitzutragen. Eine Zustimmung zu anderen Gesetzen zur Energiewende macht die SPD von der weiteren Prüfung abhängig. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte die Ausbauziele von Union und FDP bei den erneuerbaren Energien als zu gering, erkennt jedoch einen Lernerneffekt an: »25 Jahre nach Tschernobyl zieht jetzt auch die CDU aus Fukushima Konsequenzen. Das ist spät, aber es ist richtig.«

Die Energiewende wird nach Einschätzung des Bundeskartellamtes zunächst die großen Stromproduzenten stärken. »Wir glauben, dass ganz kurzfristig die Marktmacht der großen Vier zunächst einmal ansteigen wird«, sagte Präsident Andreas Mundt am Donnerstag im Deutschlandfunk. Mundt erklärte: »Mittel- bis langfristig haben wir natürlich eine bessere Perspektive für den Wettbewerb.« Es werde »eine gewisse Kapazität« vom Markt genommen. »Und diese Kapazität steht für neue Anbieter zur Verfügung – seien es Stadtwerke, seien es sonstige neue Anbieter.« Wettbewerb erwarte er auch bei den erneuerbaren Energien, bei denen die Stromproduktion dezentral organisiert ist.

Unterdessen hat E.on, einer der großen vier Energiekonzerne, den Beginn seiner Revisionsarbeiten im AKW Brokdorf, die ab diesem Wochenende stattfinden sollten, auf den 15. Juni verschoben. Atomkraftgegner verlegten daraufhin ihre geplanten Blockadeaktionen des Kraftwerks während der Arbeiten ebenfalls. Eine angekündigte Demonstration wird jedoch am Sonntag stattfinden. Das Bündnis Block Brokdorf wertete die Verschiebung als Erfolg: »Schon die Ankündigung von Blockaden hat ausgereicht, um den Zeitplan von E.on durcheinander zu bringen.«

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