Gewaltmensch und Befehlsgeber

Prozess um eine Vergewaltigung in der Ehe – der mutmaßliche Täter bestreitet alles

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen

»Ich sage gar nichts, ich sage nur eines, ich bin unschuldig.« Kurz und knapp gibt sich der 61-jährige Bernd. Dann starrt er böse auf eine große Mattscheibe, die eigens für ihn im Gerichtssaal installiert wurde. Rentner Bernd soll schwerhörig sein, und so werden alle Fragen des Vorsitzenden Richters via Protokollant auf den Großbildschirm übertragen. Doch ist der hagere, graubärtige Mann mit starrem Blick und einer klaren Aussprache wirklich ohne Gehör? Zweifel sind angebracht. Jedenfalls reagiert er auf Anfragen schnell und klar, um dann wieder in Gesichtsstarre zu verfallen.

Was die Staatsanwaltschaft dem Mann vorwirft, ist ausgesprochen unappetitlich. Am 20. Dezember letzten Jahres soll er auf üble Weise seine zwölf Jahre jüngere Frau Mirelle vergewaltigt und gequält haben. Mit dem Schlachtruf: »Du bist jetzt meine Sklavin, ich werde dich zur Nutte ausbilden«, riss er sich die Kleider vom Leibe und verriegelt die Wohnung. Seine Frau soll dann von 14 Uhr bis 2 Uhr nachts ein Martyrium erlitten haben. Er soll immer wieder über sie hergefallen sein, sie gezwungen haben, ihn zu befriedigen. Dabei drückte er die Zigarette auf ihrem Rücken aus, schlug sie und fügte ihr mit einem Klappmesser mehrere Ritze zu. Dann habe er ihr die Haare auf der rechten Kopfhälfte abgeschoren. Schließlich habe er ihr gedroht, Nase und Ohren zu kürzen.

Weitere Details lassen selbst die Staatsanwältin stocken. Aus Angst, noch schlimmer misshandelt zu werden, fügte sich die Ehefrau ihrem Peiniger und war ihm zwölf Stunden zu Diensten. Bis er schließlich eindämmerte und sie die Polizei rufen konnte, dann war der Horror vorbei. Seit dem 21. Dezember sitzt Bernd in Untersuchungshaft.

War es so oder möglicherweise ganz anders? Der ehemalige Fremdenlegionär war schon 1995 wegen Misshandlung seiner damaligen Frau zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Wie er sich vor Gericht gibt, seinen Verteidigern über den Mund fährt und dann wieder starr und finster auf den Bildschirm blickt, ist ihm eine solche Tat durchaus zuzutrauen. Hinter Gittern soll er mit seinen Mitgefangenen ebenso umgehen, sie anschreien und nur fordernd auftreten. Ein Beleg dafür, dass er die Tat begangen hat, ist das alles jedoch nicht.

Es könnte auch so gewesen sein, dass die robustere Frau ihr familiäres Ekelpaket einfach loswerden und sich auf diese Weise an ihrem ungeliebten Mann rächen wollte. Als sie vor Gericht erscheint, macht sie nicht den Eindruck einer gedemütigten Person.

Denn zwei Dinge machen stutzig: In den zehn Jahren gemeinsamer Ehe soll es recht harmonisch zugegangen sein, heißt es aus Verteidigerkreisen. Doch es ist kaum möglich, dass ein Mann aus heiterem Himmel zu solch einer Tat fähig ist. Da wird es Vorgeschichten gegeben haben. Und harmonisch kann eine Ehe, die mit einer brutalen Vergewaltigung endet, kaum gewesen sein. Schließlich bleibt auch die Frage, wie sich ein solches Geschehen über zwölf Stunden hinziehen konnte. Fand sich da nicht eine Möglichkeit, sich eher von dem Peiniger zu lösen?

Auf diese und andere Fragen wird das Gericht Antworten suchen. Auch Gutachter werden zu befinden haben, wem am Ende zu glauben ist. Denn hier steht Aussage gegen Aussage, und die Polizeizeugen, die nach dem Hilferuf der Ehefrau die Wohnung aufsuchten, waren nicht dabei, als es geschah.

Auf Antrag der Verteidigung und zum Schutz ihrer Persönlichkeit wurde die Öffentlichkeit bei der Zeugenvernehmung der Frau ausgeschlossen. Ende des Monats wird wahrscheinlich das Urteil gesprochen werden.

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