Dschungelheime stehen vor dem Aus

Kommission des Landes verlangt, dass Flüchtlinge nicht außerhalb von Ortschaften leben müssen

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Land Brandenburg wird aller Voraussicht nach Asylbewerberunterkünfte mitten im Wald nicht mehr zulassen. Davon betroffen wären die Heime Garzau-Garzin (Märkisch-Oderland), Hohenleipisch (Elbe-Elster) und Althüttendorf (Barnim).

Asylbewerberheime werden von den Landkreisen unter Vertrag genommen. Die Einflussmöglichkeiten des Landes bestehen darin, Mindestanforderungen zu definieren, die ein Heim erfüllen muss. Die derzeit gültigen Anforderungen stammen noch aus der unmittelbaren Nachwendezeit. Der Landtag hat darum die Landesregierung im April aufgefordert, diese Anforderungen zu überprüfen. Dazu hat das Sozialministerium eine Kommission einberufen, die bisher einmal getagt hat.

Die Integrationsbeauftragte des Landes Karin Weiss gehört der Kommission an. Sie sagt: »Ich will dem Votum der Kommission nicht vorgreifen. Aber ich ganz persönlich gehe davon aus, dass es bald eine Unterbringung außerhalb geschlossener Ortschaften nicht mehr geben wird.« Dort sei keine Integration möglich. In Hohenleipisch hatte es in diesem Jahr eine Demonstration gegen den Standort gegeben. Die Flüchtlinge fühlten sich in dem ehemaligen Militärobjekt mitten im Wald von Wildschweinen bedroht und müssten von ihrem schmalen Taschengeld Fahrscheine bezahlen, um zum Einkauf zu kommen.

Karin Weiss wirbt um Verständnis für die Landkreise. Die wären 1991 von einem Tag auf den anderen aufgefordert worden, Asylbewerber unterzubringen. »Damals standen gerade verlassene Militärobjekte zur Verfügung. Und die lagen oft mitten im Wald.« Viele Landkreise überdachten ihre Position in den letzten Jahren, erinnerte Weiss. Potsdam und Perleberg schlossen demnach die abgelegenen Unterkünfte und brachten die Flüchtlinge innerstädtisch unter. Oberspreewald-Lausitz ersetzte 2009 das umstrittene Heim Bahnsdorf durch ein Vorzeigeheim in Sedlitz bei Senftenberg.

Weiss zufolge hat sich die Kommission mit den Mindestanforderungen anderer Bundesländer beschäftigt. Mecklenburg-Vorpommern, wo die Situation ähnlich war wie in Brandenburg, hat schon vor wenigen Jahren definiert, dass Asylbewerberunterkünfte ortsnah liegen müssten statt mitten im Wald. Sollte Brandenburg einen ähnlichen Standard verlangen, müssten die Heime im Wald allerdings nicht am nächsten Tag geschlossen werden. »Verträge mit Heimbetreibern sind einzuhalten«, erklärte Weiss. »Und als Land bedauern wir ausdrücklich, dass der Barnim erst im vergangenen Jahr den Heimvertrag für Althüttendorf mitten im Wald für fünf Jahre verlängert hat – entgegen unserem Rat.«

Nach Recherchen des Flüchtlingsrates könnten die Verträge für die beiden anderen betroffenen Heime Ende 2012 auslaufen. Sprecherin Beate Selders begrüßt ausdrücklich die Schließung der »Dschungelheime«. »Das ist eine alte Forderung von uns. Von entlegenen Standorten aus ist der Schulweg für Kinder schwierig. Die Einkaufsmöglichkeiten liegen weit ab. Und Bibliotheken können oft gar nicht genutzt werden.« Allerdings, so Selders, »unsere Forderungen gehen darüber hinaus. Wir wollen, dass Flüchtlinge in Wohnungen wohnen dürfen und nicht in Wohnheimen. Das sollte spätestens nach acht bis zwölf Monaten in Deutschland möglich sein.« Als positive Beispiele nennt Selders die Prignitz, die gar kein Asylbewerberheim mehr betreibt, sondern allen Flüchtlingen Wohnungen anbietet, sowie Potsdam-Mittelmark, »wo im Moment ein ähnliches Modell erarbeitet wird«.

Weiss zufolge ist aber eine Wohnungsunterbringung nicht überall möglich. »Preiswerte Wohnungen sind in den Großstädten Potsdam und Cottbus längst knapp. Auch in kleineren Gemeinden nahe Berlin haben Singles Schwierigkeiten, Einraumwohnungen zu finden.« Wohngemeinschaften für alleinstehende Flüchtlinge würden einen bürokratischen Aufwand bedeuten, auf den sich Vermieter kaum einlassen.

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