Armes, reiches Hellas

Eberhard Rondholz zeichnete ein Porträt von Griechenland

  • Horst Möller
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl Griechenland nun so ins Gerede gekommen ist, die Faszination, die vom Land und seinen Leuten ausgeht, ist ungebrochen. Dies unterstreicht auch das Buch von Eberhard Rondholz. Was aber läuft seinem Urteil nach in den deutsch-griechischen Beziehungen eigentlich falsch?

Beim Athen-Besuch im Januar 2010 mahnte Außenminister Guido Westerwelle (der seinen Dr. jur. an der Universität Bonn beim Staatsrechtler Dimitris Tsatsos gemacht hat) die Einlösung eines griechischen Kaufversprechens aus dem Jahr 2000 an: 60 Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter zum Preis von zwei Milliarden Euro. Außerdem stünden zur Verhandlung: sechs Fregatten vom Typ FREMM im Wert von zwei Milliarden, sechs U-Boote des Typs U214 für rund drei Milliarden und ähnliches mehr. Dazu Rondholz: »Es ist eine absurde Situation: Deutsche und französische Politiker drängen zu Käufen von Waffen, die zwei Nato-Partner (Türkei und Griechenland) aufeinander richten, und das, obwohl sie einerseits über den drohenden Staatsbankrott Griechenlands informiert sind und es andererseits strikte Regelungen gibt, nach denen aus Deutschland Waffen exportiert werden dürfen: eben nicht in politische Spannungsgebiete, wie es die Ägäis de facto allemal eines ist.« Dass dieser Irrsinn den griechischen Steuerzahler umtreibt, das sollte auch den nicht weniger davon betroffenen deutschen Steuerzahler aufbegehren lassen.

Nach Rondholz' Angaben verfügen die griechischen Reeder über eine Handelsflotte von 55 Millionen BRT, was 70 Prozent der gesamten EU-Handelsschifffahrt und ein Fünftel der globalen Tonnage ausmacht. Die Fischzucht ist mittlerweile eine Industrie mit enormen Zuwachsraten; Griechenland ist Selbstversorger, was bestimmte zuchtfähige Fischarten angeht, und zugleich größter Exporteur. Geschätzt sind in Europa Spitzenweine und exquisites Olivenöl Marke Hellas.

Die von Rondholz dagegen aufgezeigten Schattenseiten kommen einem bekannt vor: Da gibt es Leute, die gegenüber dem Finanzamt ihr Einkommen an der Armutsgrenze beziffern und durch einen Wohlstand auffallen, der sich disproportional zu den bezogenen Gehältern verhält. Und die Art und Weise, wie sich Teile der politischen Elite in den letzten Jahrzehnten bereichert haben, riecht nach Mafia und Politkriminalität, gegen die ein deprimierend lahmer Justizapparat nicht ankommt.

Unabgegolten ist Deutschlands Schuld aus der Vergangenheit. Verweigert wird die Rückzahlung eines Zwangskredits, den die Besatzungsmacht im Zweiten Weltkrieg den Griechen abgepresst hat – nach heutigen Berechnungen etwa 20 Milliarden Euro. Dass darüber hinaus die bundesdeutsche Justiz hinsichtlich der Kriegs- und NS-Verbrechen Täterschutz übte, wird von Rondholz hier nicht zum ersten Mal angesprochen. Dahingegen sind die für Alfred Eickworth, der auf Karpathos beim Versuch, zur Befreiungsfront überzulaufen, am 29. November 1943 von einem deutschen »Kameraden« erschossen worden war, in seinem sächsischen Heimatort Crimmitschau-Gablenz benannte Straße und das für ihn aufgestellte Denkmal nach der Wende 1989 verschwunden. Das von griechischen Patrioten für ihn auf Karpathos errichtete Grabmal indes wird weiterhin gepflegt.

Wie anderswo in Europa auch ist neuerdings im Athener Parlament eine rechtsradikale Partei vertreten. Sich deren Hetztiraden von einer gegen Griechenland gerichteten Verschwörung des weltweit agierenden jüdischen Finanzkapitals zu bedienen, wie das Mikis Theodorakis – gewissermaßen einem Anti-Herostratos gleich – unternommen hat (weshalb auch immer), quittiert Rondholz rechtens mit Unverständnis. Unerwähnt zu lassen, dass sich Theodorakis nachträglich erklärt und gegen jede Form von Antisemitismus ausgesprochen hat, und ihn obendrein in einen Zusammenhang zu bringen mit dem notorischen Holocaust-Leugner Plévris, tut dem Sänger jedoch unrecht.

Das Buch verdiente nicht den Untertitel, wenn es sich auf Aktuelles beschränkte. Mit einer Fülle von Details zur Landes-, Parteien-, Kirchen-, Sprach-, Literatur- und Architekturgeschichte sowie Asylanten- und Minderheitenproblematik gewährt es einen fundierten und vorurteilsfreien Überblick.

Eberhard Rondholz: Griechenland. Ein Länderporträt. Ch. Links Verlag, Berlin 2011. 200 S., geb., 16,90 €.

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