Wut über Camerons Sparpaket

Der Öffentliche Dienst in Großbritannien streikt gegen Kürzungen und Rentenreform

  • Christian Bunke, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Gestern streikten in Großbritannien 800 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst gegen die geplante Rentenreform der Koalitionsregierung aus Konservativen und Liberalen.

Schulen blieben zu und Flughäfen hatten Probleme, da die Angestellten der Einreisebehörde streikten. 350 Colleges sowie 75 Universitäten wurden bestreikt. Arbeitsämter waren ebenso geschlossen wie Museen und Galerien. In London wurde jeglicher Polizeiurlaub gestrichen, da Polizisten eingesetzt wurden, um streikende Beschäftigte zu ersetzen.

Vier Gewerkschaften hatten zu dem Streik im öffentlichen Sektor aufgerufen: Die Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS, die Gewerkschaft für Lehrende an Colleges und Universitäten UCU, sowie die Lehrergewerkschaften NUT und ATL. Letztere beteiligte sich zum ersten Mal in ihrer Geschichte an einen Streik.

Auch das zeigt, der Unmut über die geplante Rentenreform ist groß. Darüber hinaus ging es aber um Widerstand gegen das gesamte Kürzungsprogramm, das bereits mehrere tausend Beschäftigte den Arbeitsplatz gekostet und vielen erhebliche Reallohnverluste beschert hat. Bis 2015 will die Regierung 330 000 Stellen streichen. Premierminister David Cameron will im Zuge seines Sparkurses außerdem durchsetzen, dass Staatsbedienstete länger arbeiten und mehr in die Rentenkasse einzahlen. Während die Regierung behauptet, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst nach Ende ihrer Karriere eine »goldene« Rente erhielten, beträgt die tatsächliche derzeitige Durchschnittsrente für sie 6000 Pfund (etwa 6700 Euro) im Jahr. Viele Pensionäre müssen mit gerade mal 120 Pfund (130 Euro) pro Woche über die Runde kommen. Das ist unter der britischen Armutsgrenze.

Zwar stimmt die Behauptung seitens der Regierungsbank, dass die Renten im öffentlichen Dienst höher sind als im privaten Sektor, aber die Beschäftigten im privaten Sektor mussten »grauenhafte Angriffe« auf ihre Renten hinnehmen, erklärt Mark Servotka, der Generalsekretär der PCS-Gewerkschaft. »Verantwortlich dafür sind die Aktionäre und Firmenbosse, die die Rentenfonds ihrer Konzerne zerstückelt haben. Die Bosse haben dagegen sehr gute Renten.«

Kurz vor dem gestrigen Streikbeginn waren Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Regierung gescheitert. Servotka bezeichnete die Verhandlungen anschließend als »Farce«, Dave Prentis von der Gewerkschaft UNISON dagegen sagte, er habe »echte Verhandlungen erlebt«, seine Gewerkschaft werde deshalb im Juli keine Urabstimmungen für Kampfmaßnahmen einleiten. UNISON organisiert Beschäftigte im kommunalen und im Gesundheitsbereich. Auch deren Renten sind von der Reform bedroht, sie werden aber durch einen anderen Topf finanziert.

Den gestrigen Streik werteten die beteiligten Gewerkschaften einhellig als »überwältigenden Erfolg«. Die Mehrheit aller Gewerkschaftsmitglieder habe sich beteiligt, heißt es in Stellungnahmen. In ganz Großbritannien gab es Demonstrationen. Die größte fand in London mit rund 30 000 Teilnehmern statt. In vielen anderen Städten demonstrierten jeweils Tausende.

Diesem ersten Streik gegen das Kürzungs- und Belastungsprogramm der britischen Regierung werden sehr wahrscheinlich weitere folgen. So stimmte die Delegiertenversammlung der Transportarbeitergewerkschaft RMT ebenfalls gestern für eine »gewaltige« Kampagne gegen Einsparungen bei den Eisenbahnen. Man werde diese Kampagne mit anderen Gewerkschaften koordinieren und gemeinsame Kampfmaßnahmen vorbereiten, so RMT Generalsekretär Bob Crow in einer Grußadresse an die Streikenden.

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